Mandelas Versöhnungskurs stößt auf Widerstand

■ ANC verlangt hingegen von der Regierung schnelleres Tempo bei den Reformen

Johannesburg (taz) - Mit einer deutlichen Aufforderung an die eigene Regierung, die Reformen in Südafrika schneller voranzutreiben, endete gestern in Bloemfontein der Parteitag des „African National Congress“ (ANC). „Die Regierung der Nationalen Einheit“, so heißt es in der Schlußresolution, „legt uns einige Schranken auf. Aber es ist unbedingt notwendig, daß unsere Bewegung ihre Mehrheitsposition nutzt, um den Veränderungsprozeß voranzutreiben.“ Damit hat Präsident Nelson Mandela nun schriftlich, daß seine Partei den vorsichtigen Kurs der vergangenen Monate nicht gutheißt.

Schon am Dienstag war deutlich geworden, daß Position und Charisma des großen alten Mannes Südafrikas nicht mehr ausreichen, um seine Vorstellungen im ANC widerstandslos durchzusetzen. Sein Plan war es, den 3.000 Delegierten 50 der insgesamt 75 zu wählenden Vertreter des Parteivorstandes in einem von ANC-Veteran Walter Sisulu geschnürten Paket en bloc vorzulegen. Mandela wollte damit sicherstellen, daß Weiße, Farbige und Inder in ausreichender Zahl in dem Gremium vertreten sein würden. Doch er scheiterte am Widerstand der Regionalführer des ANC, die nach den Wahlen in der einst so zentralistisch geführten Gruppierung mächtiger geworden sind. Sie argumentierten, daß das beabsichtigte Vorgehen undemokratisch sei und an Praktiken aus der Sowjetunion erinnere. Dennoch wurde Mandela mit großer Mehrheit als ANC- Vorsitzender bestätigt. Auch Generalsekretär Cyril Ramphosa gewann die Wiederwahl.

Nach allem bleibt unverkennbar, daß im ANC Unruhe über den bisherigen Kurs der Regierung herrscht. „Wir bestätigen, daß die Befreiung von Afrikanern im speziellen den zentralen Inhalt unserer nationalen demokratischen Revolution darstellt“, heißt es im Parteitagsbeschluß. Im Vorfeld des Parteitags hatten Delegierte offen bemängelt, daß ihnen Mandelas Versöhnungskurs gegenüber der weißen, wirtschaftlich dominierenden Minderheit am Kap zu weit ging. Willi Germund

siehe Portait S. 11