Stalins Traum wird wahr

Der Freistaat Bayern will die Donau von Vilshofen bis Straubing schiffbar machen / Umweltschützer halten das Projekt für wirtschaftlichen Unsinn  ■ Von Felix Berth

Berlin (taz) – Die Idee, so erzählt Ludwig Daas aus Deggendorf gerne, stammt vom Genossen Stalin. Der habe in den vierziger Jahren eine gigantische Umgestaltung der Donau geplant, um sowjetische Kriegsschiffe möglichst nahe an Deutschland heranzubringen. „Vom schwarzen Meer bis Wien sollte die Donau bis zur Tiefe von 3,50 Meter schiffbar gemacht werden“, sagt Ludwig Daas.

Was Stalin versagt blieb, das vesrucht jetzt Freistaat Bayern zu verwirklichen. 77 Kilometer lang ist die Flußstrecke, die ausgebaut werden soll. Zwei Staustufen zwischen den niederbayerischen Städten Straubing und Vilshofen sind vorgesehen, damit das Donauwasser bis zu einer Tiefe von 2,80 Metern schiffbar wird. Das Raumordnungsverfahren ist im Gange, bis zum Jahr 2000 will der Freistaat das Projekt durchgesetzt haben.

Wieder stehen, wie beim Rhein- Main-Donau-Kanal, Umwelt und Wirtschaft im Konflikt. Auf der einen Seite Menschen wie Ludwig Daas, die ihre Heimat schützen wollen, auf der anderen Seite die Kanalbauer, die eine neue Arbeit suchen, nachdem die Schleusen im Altmühltal fertiggestellt sind.

Doch Fronten allerdings sind komplizierter. Die Rhein-Main- Donau AG hat gelernt, wie gut es wirkt, wenn sie sich auf das Motiv Umweltschutz beruft. Dem Sprecher Christoph Schmidt, fällt als erstes die Sorge ein, die Donau werde sich ohne den Kanal immer tiefer in ihr Flußbett hineingraben. Dann könnte das Grundwasser absinken, sagt er; „die Auwälder wären dadurch unwiederbringlich verloren.“

Der Kanal als Rettung der durch sich selbst bedrohten Natur? Wohl kaum. Doch die Umweltschützer haben aus ihrer Niederlage im Altmühltal ebenfalls gelernt. Sie argumentieren kaum noch mit der Gefahr für Blaukehlchen, Uferschnepfen und gefährdeten Fischarten. Sie sprechen über den technischen und ökonomischen Unsinn – wie Ludwig Haas, der das Projekt als 2-Milliarden-Mark-Verschwendung kritisiert. Oder wie der bayerische Bund Naturschutz, der diesmal vor allem auf das Wissen und das Ansehen eines Wasserbau-Experten setzt: Dieser Professor Harald Ogris aus Wien mischte sich schon früh in die Debatte und rechnete dem Freistaat vor, daß man einen leistungsfähigen Kanal auch billiger haben könnte. Lange wurde Ogris von den Kanalbauern ignoriert; schließlich aber mußten sie ihn auf Weisung des Bonner Verkehrsministers doch zum Gutachter bestellen. Der ehemalige Außenseiter hat im Genehmigungsverfahren mitzureden.

Daß der geplante Ausbau die Donauauen verändern wird, gibt selbst Sprecher Christoph Schmidt zu: „Diese Auenlandschaft steht dann nicht mehr phasenweise unter Wasser.“ Just dieser Wechsel des Wasserstands ist aber Voraussetzung für das Leben in den Donauauen. Schnell setzt Schmidt deshalb dazu: „Wir werden die Eingriffe so gering wie möglich halten und die Auenlandschaft etwas weiter weg wiederentstehen lassen.“ Außerdem sei ein Kanal angewandter Umweltschutz – er mache Lkw-Fahrten überflüssig.

Mag sein, daß viele Umweltschützer in Niederbayern diese Beschwichtigungen nur zynisch finden. Denn wie kann man eine in Jahrhunderten gewachsene Auenlandschaft einfach „wiederentstehen lassen“? Und wie bringt man den Fischschwärmen der Donau bei, daß sie sich nicht mehr in einem Fluß, sondern in einem kilometerlangen See befinden? Doch solche Fragen beantwortet Ludwig Daas eher nebenbei. Er konzentriert sich auf die technischen Gegenargumente, die ihm der Wiener Professor liefert: Wenn man den Kanal unbedingt für riesige Lastkähne schiffbar machen will, dann ginge das auch anders.

Die Methode des Wasserbauers ist recht schlicht. Harald Ogris sieht vor, daß am Donauufer entlang zahlreiche Steinwälle im Wasser aufgeschichtet werden. Diese „Bunen“ liegen quer zur Fließrichtung und bremsen den Wasserlauf – der Fluß wird an vielen Stellen ein bißchen gestaut, weshalb der Wasserstand steigt und die Donau die notwendige Tiefe erreicht. „Tausendfach wurde das in Flüssen so gemacht“, sagt Ogris, „eine klassische Methode.“ Sie sei die billigere Alternative, weil Steine aufschütten weniger kostet, als Staustufen zu bauen. Und sie sei naturfreundlicher, weil die Lebensbedingungen des Auwaldes – ständiges Steigen und Sinken des Wasserstandes – erhalten bleiben.

Doch Chancen hat Ogris nur bei Politikern in Bonn und München, weil deren Kassen ziemlich leer sind.

Die Kanalbauer der Rhein-Main-Donau dagegen wollen davon nichts wissen. „Die wollen zwei Milliarden in die Bauwirtschaft hineinpumpen“, sagt der Naturschützer Daas. Und der Wissenschaftler Ogris drückt es ähnlich, nur etwas vorsichtiger aus: „Jemand, der ein Interesse hat, Geld auszugeben, will von einer billigeren Methode nichts wissen.“