Niklaus ist ein guter Mann, dem man ...

■ Familienberater Pieter Hutz vom Kinderschutz-Zentrum zur Bedeutung des Nikolaus für Kinder / Mehr Erziehungserfolge mit nettem Weihnachtsmann statt mit elterlicher Strenge

taz: Was bedeutet für Kinder der Glaube an den Weihnachtsmann?

Pieter Hutz: Wenn man an den Weihnachtsmann glaubt, kann einem das eine ganze Zeit etwas Wichtiges sein. Einerseits ist das manchmal etwas Angsteinflößendes, Unheimliches. Andererseits ist es aber auch eine kraftvolle Gestalt, mit der sich Kinder manchmal identifizieren und auf die sie alle möglichen Wünsche projizieren: Angst, das schlechte Gewissen und die ganzen Wünsche, die sie an den Weihnachtsmann haben. Insofern ist der Weihnachtsmann eine sehr wichtige und interessante Figur für Kinder, die heute aber früher desillusioniert werden.

Woran liegt das?

Wir leben in einer widersprüchlichen Welt. Einerseits gibt es sehr viel Aufklärung, andererseit werden neue Mythologien aufgebaut. Man kann sagen, daß der Weihnachtsmann eine der vertrauten, realistischen Mythen ist.

Geht Kindern, die nicht an den Weihnachtsmann glauben, etwas verloren?

In Situationen, in denen Kinder diesen Brauch nicht mehr haben, schaffen sie sich irgendwelche andere Phantasiegestalten, die dann ähnliche Funktionen einnehmen.

Wird der Weihnachtsmann oft als Erziehungskrücke mißbraucht?

Das ist ein Versuch von Eltern, etwas, was sie sonst mit Gewalt oder Hilflosigkeit rüberbringen würden, an jemand anderen zu delegieren. Eigentlich finde ich das ganz gut, die Eltern-Kind-Beziehung von manchem Strengen freizuhalten und das dem Nikolaus zu überlassen.

Machen es sich da die Eltern nicht zu leicht?

Warum soll man es sich nicht manchmal ein bißchen leicht machen? Die Erziehung ist für Eltern und Kinder etwas Schwieriges. Wenn Eltern und Kinder das immer alleine hinkriegen müssen, dann läuft das sowieso viel eher auf eine Überforderung hinaus. Ich finde die Idee gut, einen Nikolaus dazu zu benutzen, daß er auf eine freundliche Art etwas erzählt, was die Eltern nur mit übermäßiger Strenge könnten. Ich würde das nicht als Krücke denunzieren.

Wieso funktioniert das?

Manchmal kann man von jemand Fremdem etwas besser annehmen. Die Kinder sind mit den Eltern auf eine widersprüchliche Weise verbunden, mit Liebe, Haß, Zuneigung und Strenge. Manche Verbote können sich die Kinder besser zu eigen machen, weil sie zwar mit Strenge, aber nicht mit Gewalt und Überforderung beigebracht werden. Mit etwas ruhigem Strengem, das ist ja auch die Vorstellung der Eltern vom Weihnachtsmann, können Kinder oft viel mehr anfangen, als wenn Mutter und Vater brüllen oder weinend auf dem Teppich liegen.

Was passiert, wenn Kindern zuviel Angst vor dem Weihnachtsmann haben?

Das macht verspannt und steif. Der Druck führt ungewollt zum Einschüchtern. Der Erfolg ist der, daß die Kinder so werden, wie man mit ihnen umgeht, aber nicht so, wie man sie haben möchte.

Glauben Sie, daß es den Weihnachtsmann irgendwann nicht mehr geben wird?

Ich wünsche mir, daß Kinder und Eltern immer mythologische Figuren haben werden, die in ihrem Leben eine Rolle spielen und denen sie mit Träumen, Wünschen und Ängsten begegnen können. Interview: Barbara Bollwahn