Kollektives Schweigen nach Dienstagsgespräch

■ Diskussionsrunde, in der Ultrarechte Kontakte zum Senat knüpften, will offenbar nicht aufgeben / Ex-Sprecher von Heckelmann wieder in der Innenverwaltung

Ein halbes Jahr nach der „Bonfert-Affaire“, die Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) fast den Kopf, dann aber nur die Zuständigkeit für den Verfassungsschutz kostete, wird das sogenannte Dienstagsgespräch noch immer bagatellisiert. Regelmäßige Teilnehmer wie ein Redakteur einer Springer-Tageszeitung behaupten bis heute, daß es sich um eine „Diskussionsrunde mit seriösen Leuten aus Wirtschaft und Politik“ gehandelt habe, doch niemand will den Gesprächskreis seit der Bonfert-Affaire noch besuchen. Die gängige Begründung: Die SPD – allen voran der damalige Fraktionschef Ditmar Staffelt – hätte die honorige Veranstaltung in die Nähe einer rechtsradikalen Versammlung gerückt.

Staffelt hatte im Juni öffentlich gemacht, daß dieses regelmäßige „Gespräch“ offenbar Ultrarechten dazu diente, Kontakte in die Berliner Politik hinein zu knüpfen. Organisator war in der Gestalt von Hans-Ulrich Pieper ein ehemaliger NPD-Funktionär, der später auf der Liste der „Republikaner“ für den Münchner Stadtrat und für den Bundestag kandidierte. Das unabhängige Organ aus der rechtsradikalen Ecke, die Junge Freiheit, wurde kostenlos verteilt; Referenten wie der Vorsitzende der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Jörg Haider, bekamen Applaus für Sätze wie „Deutschland braucht eine Partei wie die Republikaner“. Der damalige Pressesprecher des Innensenators, Hans- Christoph Bonfert, fiel einmal bei einer solchen Veranstaltung der Polizei auf, weil er „auf Herrn Pieper wartete“. Nach den Veranstaltungen hätten sich Bonfert und Pieper jeweils mit einigen Teilnehmern zusammengesetzt.

Heckelmann opferte Bonfert und blieb im Amt

Heckelmann war im Frühjahr durch einen Bericht des Verfassungschutzes über die zwielichtigen Kontakte des Sprechers mit Ultrarechten gewarnt worden – doch außer mit Bonfert zu sprechen, passierte nichts. Dabei hätte er gerade in seiner Funktion als Innensenator besonders sensibel sein müssen, wenn Rechtsradikale versuchen, hohe Mitarbeiter seiner Verwaltung zu funktionalisieren. Heckelmann ließ aber nicht einmal jene Behauptungen von Bonfert nachprüfen, die offensichtlich den Angaben des Verfassungsschutzes widersprachen. Als die Kontakte seines Pressesprechers durch die SPD zur Affaire wurden, opferte Heckelmann Bonfert – statt selbst zurückzutreten.

Trotz des damaligen Skandals gibt Pieper seine Versuche, Kontakte zur Berliner Politik zu knüpfen, bis heute nicht auf. Er behauptete zwar erst vergangene Woche, „offiziell“ finde nichts mehr statt. Doch wie erklärt sich dann, daß etwa der Abgeordnete Axel Hahn, der dem rechten Flügel der FDP zugeordnet wird, eine Einladung zu einem Dienstagsgespräch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank, Friedrich Wilhelm Christians, bekommen hat? Wie der Bankenchef der taz bestätigte, war er für Mitte November eingeladen. Den geplanten Vortrag habe er allerdings aus „terminlichen Schwierigkeiten“ absagen müssen, ließ er ausrichten. Vielleicht halte er sein Referat später.

Bankchef Christians paßt zur Strategie, zwischen Rechten, einflußreichen Wirtschaftsfunktionären und wertkonservativen Politikern Drähte zu spannen. Der Großbankier erinnert sich heute wieder gerne an seine Kindheit als Fähnleinführer bei der Bündischen Jugend – der Hitler-Jugend: „Es waren immer Erlebnisse, die einen jungen Menschen gefordert haben“, sagte er jüngst im ZDF.

Dort schilderte er, wie er im Mai 1941 als junger Leutnant vor einer Riesenlandkarte stand, quer durch die Ukraine auf das Erdölzentrum bei Baku am Kaspischen Meer zeigte und befahl: „Dahin wollen wir!“ Heute möchte er aus Kaliningrad eine deutschrussische Freihandelszone machen, ein neues Königsberg, in dem bald „russische Arbeitskraft und deutsches Organisationstalent“ der „Welt vor Augen führen, welch unbegrenzte Möglichkeiten in dieser Kombination stecken“.

Regelmäßige Teilnehmer schweigen sich aus

Kann es überraschen, daß es bis heute wie ein Geheimnis gehütet wird, wer bis Juni an dem Dienstagsgespräch teilnahm? Regelmäßige Teilnehmer schweigen jedenfalls: der Springer-Mann, der „Repubikaner“-freundliche CDU- Bundestagsabgeordnete Heinrich Lummer, der CDU-Abgeordnete Ekkehard Wruck, der sich schon mal bei Heckelmann für „die Sicherheit des Verlages und der Angestellten“ der „Jungen Freiheit“ stark macht. Andere leiden an Vergeßlichkeit. So wollte Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) nichts davon wissen, daß seine beiden Sprecher Klaus-Hubert Fugger und Axel Kammradt Sprecher zum Kreis von Pieper gehörten. Ihm sei nichts bekannt, sagte er am Rande einer Plenarsitzung.

Pech nur, daß Fugger sowohl Kammradts wie seine eigene Teilnahme zugegeben hat. Er selbst sei dreimal dagewesen, sagte er gegenüber der taz, und vielleicht habe er Pieper „mal die Hand geschüttelt“. Kammradt war trotz mehrerer Versuche zum Thema Dienstagsgespräch nicht zu sprechen. Erneut befragt, erinnerte sich jedoch der Finanzsenator plötzlich und berichtete, er habe sich im Sommer schriftlich bestätigen lassen, daß Fugger nicht mit Pieper im Hinterzimmer Gespräche geführt hat: „Die Aufzeichnung habe ich zu Hause.“

Der, der diese Gespräche mit Pieper in jedem Fall führte, arbeitet inzwischen wieder im Hause Heckelmann – Bonfert. Seine dreimonatige Abordnung zur Betriebskrankenkasse des Landes Berlin (BKK) endete nämlich diese Woche, und der Senator hat für ihn noch immer keinen Job gefunden. In der Verwaltung war nicht zu erfahren, mit welchen Aufgaben Bonfert nun betraut ist, außer das es keine „politisch relevanten“ seien, wie sich sein Nachfolger Thomas Raabe ausdrückte. Die zentrale Telefonvermittlung weiß noch nichts von ihrem neuen alten Mitarbeiter. Gespräche könnten derzeit ohnehin nicht an Bonfert vermittelt werden – dem Vernehmen nach ist er in den Flitterwochen. Dirk Wildt