Aktenmauer gegen Einbürgerung

■ Innenverwaltung will Personal in Einbürgerungsreferaten kürzen / Ausländerbeauftragte: Lieber entbürokratisieren

Die Innenverwaltung unter Dieter Heckelmann (CDU) will offenbar verhindern, daß immer mehr AusländerInnen zu Deutschen werden. Diese Vermutung wird womöglich auch im Ausländerausschuß des Abgeordnetenhauses laut werden, wenn dieser sich am 18. Januar zu seiner ersten Sitzung im neuen Jahr trifft und das Thema Einbürgerung diskutiert. Aktueller Anlaß: Auf der einen Seite hat jeder zehnte in Berlin lebende Ausländer in diesem Jahr einen Einbürgerungsantrag gestellt – rund 50.000 von 410.000, ein neuer Rekord. Auf der anderen Seite bleiben wegen des aufwendigen bürokratischen Verfahrens und des Personalmangels in den Behörden immer mehr Anträge liegen. Mit nur rund 9.000 Neueinbürgerungen im Jahr 1994 war umgerechnet nicht mal ein Fünftel aller AntragstellerInnen erfolgreich. Und nun soll womöglich auch noch das Personal im Einbürgerungsreferat der Innenverwaltung drastisch reduziert werden. Von 14 Stellen sollten als Sparmaßnahme im nächsten Jahr sechs gestrichen werden und bis 1998 nur noch zwei übrigbleiben, heißt es in einem Arbeitspapier der Innenbehörde. Das sei „das Ende der Einbürgerung in Berlin“, zitiert die Morgenpost den Leiter des Einbürgerungsreferates, Gunter Britz.

Die Pressestelle des Innensenators wiegelte umgehend ab. Das Papier sei ein Entwurf und kein Beschluß und habe auch dem Senator noch nicht vorgelegen. Im übrigen wolle die Innenverwaltung „auch künftig dafür Sorge tragen“, daß „die erfolgreiche Einbürgerungspolitik kontinuierlich weitergeführt werden kann“.

Wie das geschehen soll, erfährt man indes nicht. Denn erfolgreich ist die Einbürgerungspolitik offensichtlich nicht wegen, sondern trotz der Behörden. Mangels Personals türmen sich in der Innenverwaltung und in den dafür ebenfalls zuständigen Bezirken Tausende von Akten. „Zudem versuchen manche Beamte Einbürgerungen bewußt zu verschleppen“, kritisiert Kenan Kolat vom Bund der EinwanderInnen aus der Türkei in Berlin (BETB). Kolats Beispiel aus dem Bezirksamt Neukölln: Dort habe ein Beamter von einem arbeitslosen Türken den Nachweis verlangt, daß er sich monatlich auf mindestens zehn Stellen bewerbe. „Reine Schikane“, urteilt der – inzwischen ebenfalls eingebürgerte – Geschäftsführer des BETB, denn ein Einbürgerungsanspruch besteht auch bei nicht selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit. Man solle hier doch lieber die bürokratische Prozedur vereinfachen, statt noch weniger Personal einzusetzen, schlägt der türkischstämmige Deutsche vor.

Das findet auch Berlins Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU). „Es ist in, sich einbürgern zu lassen“, freut sie sich, „Berlin soll und wird seine bundesweite Spitzenstellung bei der Einbürgerung behalten.“ Statt aber den Antragsberg via Personalabbau weiter anwachsen zu lassen, sei mit einer Reduzierung des „umfangreichen Formularunwesens“ allen Beteiligten besser geholfen. Ihr konkreter „Sparvorschlag“ zur Vermeidung der bisher so aufwendigen doppelten Aktenführung bei der Ausländerbehörde und bei den Bezirken: Wenn die Betroffenen einverstanden seien, könne man deren Ausländerakte für die Einbürgerung aufbereiten. Ute Scheub