Gesegnetes Pressen

■ Zum Fest beschert uns das ZDF Sascha, den Heiland, Hehn als „Frauenarzt Dr. Markus Merthin“ (Montag, 21 Uhr)

„Alles kommt wieder“, pflegte meine Großmutter gerne zu sagen, „man muß seine Plünnen nur lange genug aufheben.“ Was für den Trödel auf unserem Speicher gilt, stimmt für die Soap-Ideen des Fernsehens allemal. Nicht nur, daß am zweiten Weihnachtstag das „Traumschiff“ erneut in See sticht und die „Schwarzwaldklinik“ dieser Tage im ZDF-Vorabendprogramm wiederholt wird – auch an Sascha Hehn kommen wir in diesem Leben wohl nicht mehr vorbei.

Der abgemusterte Hochseesteward und Ex-Assistenzarzt hat sich unter der väterlichen Obhut der Mainzer Unterhaltungsabteilung mittlerweile zum Vollbild-Gynäkologen gemausert. Als „Frauenarzt Dr. Markus Merthin“ macht er sich nun also für uns jeden Freitag um die Myome und Gebärmütter der Nation verdient.

„Pressen, pressen! Jetzt pressen!“ ruft der smarte Halbgott in Weiß seinen sich wehrlos im Gebärstuhl windenden Patientinnen zu, und siehe da: Schon wieder ist uns an Weihnachten ein kleiner Heiland geboren. Allein: Die Mutter stirbt, das Kind ist Waise.

Und so muß sich der arme Belegbettendoktor um die Zukunft des kleinen Wurms kümmern, anstatt sich in der eigenen Praxis um die Vermehrung unserer Rentenzahler verdient zu machen. Eilig rast er auf seinem schicken Motorrad dem Morgenstern hinterher, um wenigstens einen kleinen Stall für den Knaben aufzutreiben. Und weil es eben allerorten weihnachtet, wird der Bub tatächlich schon am Ende des Abends eine neue Heimstatt auf einem Bauernhof am Rande Berlins gefunden haben. So schön kann das Leben sein, wenn das ZDF seine Finger mit im Spiel hat.

„Wir wollten eine Frauenarzt- Serie machen, wo die Frauen im Vordergrund stehen“, erklärt ZDF-Redakteurin Heide Hess – was liegt da näher, als das heiße Eisen Gynäkologie anzupacken? Erst soll sich Sascha Hehn ja etwas gewunden haben, schon wieder den Arztkittel überzustreifen, aber nach der Lektüre der Drehbücher und ein paar Hospitanzen in einer Berliner Geburtsklinik konnte er dem Angebot dann doch nicht widerstehen.

Schließlich darf der smarte Blonde seine darstellerischen Künste hier gleich in vielfacher Hinsicht ausleben: Das Herumdoktern am offenen Herzen hatte er ja schon weiland im Schwarzwald an so mancher Speckschwarte geübt, und die leidenschaftlichen Filmküsse, die Dr. Markus Merthin nun vor allem der Kinderärztin Dr. Wilke alias Simone Thomalla angedeihen läßt, begleiten Saschas Leben schließlich wie die weißen Bundfaltenhosen aus dem ZDF-Fundus.

Ein bißchen privater Trouble mit seiner aquarellmalenden Gattin, ein wenig Gesellschaftskritik („Ja, wir haben auch eine Abtreibung dabei!“) – nichts fehlt in dieser Ärzte-Serie. Außer vielleicht die Einsicht, daß wir das Rascheln der Schwesternkittel wirklich nicht mehr hören können. Schließlich hat doch Maria seinerzeit auch ohne Geburtshelfer gekreist.

Aber so bibelfest will sich das ZDF in diesem Jahr noch nicht geben. Vielleicht erscheint uns Sascha, der Heiland, ja zu Weihnachten 95 als Zimmermannssohn. In weißer Bundfalte, versteht sich, könnte er auf den See Genezareth hinaussegeln und uns den Quotenfischer geben. Klaudia Brunst