Dialog mit dem Computer

Die Abwicklung von Bankgeschäften per Telefon erfreut sich wachsender Beliebtheit / Angebot begrenzt  ■ Aus Frankfurt/Main Klaus-Peter Klingelschmitt

Sie wohnen, sagen wir, in einer Schlafstadt im Umland von Frankfurt am Main, arbeiten in einem Nine-to- five-Job bei der Werbeagentur XY in der City. Sie müssen um 7.30 Uhr zur S-Bahn und kommen erst nach 18 Uhr wieder nach Hause. Sie haben deshalb allenfalls in den Weihnachtsferien eine Chance, Ihre Hausbank in Ihrem Wohnort zu besuchen, denn bundesweit öffnen bekanntlich die Banken ihre Schalter um 8 Uhr und schließen sie spätestens um 16 Uhr wieder – nur Donnerstags erst um 18 Uhr.

Sie finden diesen Zustand unerträglich? Ihnen kann jetzt geholfen werden: Telebanking heißt das neue Zauberwort. Und kaum noch eine deutsche Bank kann es sich heute leisten, auf diesen 24-Stunden-Service zu verzichten.

Mit den neun Nummerntasten und den zwei Zusatztasten auf ihrem Telefon könne Sie nach der Durchgabe Ihrer persönlichen Geheimnummer vor dem Einschlafen vom Bett aus Überweisungen tätigen oder von Ihrer Werbeagetur XY aus über Ihr Designer-Bananentelefon den aktuellen Kontostand abrufen.

Sie haben Angst, daß Ihr Kollege und Konkurrent am Schreibtisch nebenan Ihre Geheimnummer mithören könnte? Kein Problem. Denn im Telebanking-Center der Commerzbank etwa will die freundliche, weibliche Computerstimme von Ihnen nur fünf Ziffern der sechsstelligen Geheimnummer wissen, und gibt ihnen – für neugierige Mithörer unhörbar – die Stelle, auf die Sie bei der Angabe verzichten dürfen, vor.

„Da müßte ein Lauscher schon wochenlang unser Center mit Anrufen bombardieren, um per Zufallstreffer vielleicht doch noch die fehlende Zahl an die richtige Stelle setzen zu können“, meinte der Schöpfer des dualen Telebanking- Systems bei der Zentrale der Commerzbank in Frankfurt am Main, Stock.

Mit Pilotversuchen in Stuttgart und Wiesbaden stieg die Commerzbank im Mai 1993 ins Telebanking-Geschäft ein. Und seit Mai 1994 können die Kunden der Bank überall in Deutschland das inzwischen in Essen angesiedelte Telebanking-Center der Commerzbank anwählen.

Anders als etwa bei der City- Bank, die beim Telebanking die Vorreiterrolle übernommen hat, bieten die Commerzbanker ein Zweiwegesystem an: Wer nicht über die Tastatur auf seinem Telefon mit einem Computer kommunizieren will, der kann auch den „Mensch zu Mensch-Dialog“ (Stock) suchen. Und wer am Computer scheitert, wird automatisch zum lebenden Kontakter durchgestellt.

Zusatzgebühren fürs Telefonbanking erhebt die Commerzbank nicht, denn die Kosten für das System würden durch die hausüblichen Kontoführungsgebühren bereits abgedeckt. Allerdings zahlt der Telebanking-Kunde die Telefongebühren. Bei der Commerzbank wird für alle Nicht-Essener ein Ferngespräch in die Ruhrstadt fällig. Doch das, so Stock mit Hinweis auf die Erfahrungen aus den Pilotversuchen, habe die telebankenden Kunden nicht abgeschreckt.

Fünf bis sechs Prozent der Privatkunden der Commerzbank würden schon heute, acht Monate nach der flächendeckenden Einführung, ihre Bankgeschäfte per Telefon abwickeln. Das sind, in absoluten Zahlen, etwa 65.000 Menschen. Doch bei der Commerzbank – wie auch bei den anderen deutschen Großbanken – sind die Möglichkeiten der Tätigung von Bankgeschäften per Telefon im Vergleich mit dem Schaltergeschäft begrenzt. Im Grunde können nur Überweisungen getätigt und Daueraufträge geschaltet oder gelöscht werden. Die Kunden dürfen mit dem Telefon ihre Kontostände abrufen, sich die letzten zehn „Bewegungen“ auf ihren Konten ansagen und ihre Geheimnummer sperren lassen. Ein Kredit etwa kann dagegen per Telebanking noch nicht beantragt werden.

Und auch bei allen anderen, von den Banken an den Schaltern angebotenen Dienstleistungen spielen die Computer nicht mit. In den Niederlanden und in England gibt es allerdings schon Banken, die über Telebanking auch Kreditgeschäfte abwickeln. Die Computer dort checken in sekundenschnelle die finanzielle Lage und das Umfeld etwa eines Kreditantragstellers – und die nette Computerstimme sagt dann einfach ja oder nein.

Die Bank der Zukunft werde dennoch keine reine Telebank sein, glaubt ComPhon-Schöpfer Stock von der Commerzbank. Das Gros der Kunden suche nach wie vor das persönliche Gespräch am Bankschalter. Doch ein „Media- Mix“ bei den Banken sei „in fünf bis zehn Jahren“ durchaus vorstellbar und werde dann auch in wohl geringerem Umfang, als heute befürchtet wird, zu einer Verringerung der Bankfilialen führen.

„Media-Mix“ – das ist Banking mit dem Telefon, mit dem PC oder mit Direktleitungen (on line) etwa für Geschäftskunden. Auf fundierte Kundenberatung- und -betreuung unter vier Augen würden die Banken aber auch im Jahre 2000 nicht verzichten können. Stock stützt seine These mit dem Verweis auf Bertelsmann. Der Mediengigant habe vergeblich versucht, das Buchgeschäft ausschließlich über Postdienst und Telekom abzuwickeln. Nun habe man das Land wieder mit einem Netz von Filialen überzogen, denn die Kundschaft brauche „Anschauungsunterricht“.