Eine einzige riesige Freßorgie

■ Fast 3.000mal mußten Bereitschaftsärzte über die Weihnachtsfeiertage helfen / Zu viel Essen und Einsamkeit – da haben Magen, Kreislauf und Herz schlappgemacht

Weihnachten ist ein Fest der Liebe. Und da Liebe bekanntlich durch den Magen geht, kann das eine oder andere Fest schon mal mit einer Magenverstimmung, mit Sodbrennen oder gar einer Kolik enden. Fette Gänse und Klöße oder aber Einsamkeit unterm Weihnachtsbaum – um die physischen und psychischen Auswirkungen der Feiertage kümmern sich auch dieses Jahr wieder Mitarbeiter der Kassenärztlichen Vereinigung und deren Bereitschaftsärzte. Über eine telefonische Hotline, die rund um die Uhr besetzt ist, erhalten Hilfesuchende Auskunft über die Sprechzeiten von Ärzten, die Dienst haben.

Wen die Kalorien jedoch so tief in den Sessel hineindrücken, daß der Weg zum Arzt nur ein gedanklicher Wunsch bleibt, der kann den Beratungsdienst anrufen. Dort gibt es entweder praktische Tips am Telefon oder in akuten Fällen macht sich ein Arzt auf den Weg. Am Heiligen Abend und zu den beiden Weihnachtsfeiertagen mußten die Bereitschaftsärzte der Kassenärztlichen Vereinigung 2.815mal wegen Koliken, Herz- und Kreislaufbeschwerden oder grippalen Infekten ausrücken. Das sei „geringfügig weniger“ als in den letzten Jahren, so die stellvertretende Amtsleiterin Sigrid Rieger. 151 Berliner mußten gar die heimelige Weihnachtsstube mit einem Krankenzimmer tauschen.

Ginge es nach der Ärztin Carola Sellmann, die gestern Bereitschaft hatte, könnte Weihnachten ganz ausfallen. Denn der eigentliche Sinn des Festes werde schon seit Jahren außer acht gelassen, und nach dem Motto „Man gönnt sich ja sonst nichts“ finde nur noch eine „einzige Freßorgie“ statt. Da die Menschen aber „langsam umgedacht“ hätten, würden sie und ihre Kollegen gar mehr nicht so oft wegen Völlerei gerufen. Herz- und Kreislaufbeschwerden können ebenso durch Einsamkeit verursacht werden, die zu Magen-, Kopf- und Brustschmerzen, Schwindelgefühl, steigenden Zuckerwerten bis hin zu Depressionen führen. „Der Körper reagiert sehr sensibel auf die Psyche“, so die Ärztin. Auch wenn dafür eher die Telefonseelsorge oder andere Krisenberatungen zuständig seien, würden „Leute mit geistigen Problemen“ nicht abgewiesen.

Sofern kulinarische Draufgänger Magen und Darm wieder flottkriegen wollen, kommen sie nach Sellmanns Meinung nicht um eine Teepause herum. Wie auch Kinder, die zu Brechreiz neigen, sollten die Weihnachtsvielfresser einen Tag lang nur Kamillen- oder schwachen schwarzen Tee mit Traubenzucker trinken. Bei Hungergefühl sei ihnen erlaubt, „an einem Zwieback zu knabbern“. Barbara Bollwahn

Hotline rund um die Uhr bis zum 4. Januar: 310 03 389, Beratungsdienst 8–1 Uhr: 31 00 31