"Cassius-Clay-Manier"

■ Heiner Giersberg, bis Ende 1992 Sprecher der Olympia GmbH: Die Philosophie der Bewerbung war von Anfang an falsch

taz: Warum haben Sie sich als ehemaliger Sprecher der Olympia GmbH jetzt für einen Untersuchungsausschuß ausgesprochen?

Heiner Giersberg: Ich wehre mich dagegen, daß alle ehemaligen Olympia-Mitarbeiter mit den bekanntgewordenen unseriösen Machenschaften in Zusammenhang gebracht werden. Ich möchte nicht zulassen, daß der ehemalige Geschäftsführer Nawrocki unwidersprochen behaupten kann, es sei völlig normal, Olympiakarten auf dem Schwarzmarkt in Barcelona zu kaufen, Kleidung auf Kosten der Olympia GmbH reinigen zu lassen oder eine Putzfrau über Olympia abzurechnen. Wo leben wir denn? Unsere Gesellschaft kann doch nicht einfach hinnehmen, wenn jemand Normen setzt, die in krassem Gegensatz zu Sparsamkeit und Seriosität stehen.

Man muß den Eindruck gewinnen, manche Führungskräfte haben die Olympia GmbH als Selbstbedienungsladen begriffen.

Dazu kann ich nichts sagen. Aber es macht mich tief betroffen, von solchen Dingen zu hören, die ich während meiner Beschäftigung bei der Olympia GmbH nie für möglich gehalten habe. Ich befürchte, daß noch mehr dieser ekelhaften Einzelheiten bekannt werden. Diejenenigen, die Fragen danach stellen, werden auf geradezu befremdliche Art und Weise „kleinkariert“ genannt. Der Regierende Bürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende der Olympia GmbH hat es sich ja nicht nehmen lassen, dies mit einem „Neidkomplex“ in Verbindung zu bringen. Was das mit Neid zu tun haben soll, verschließt sich mir.

Haben die Vorfälle etwas damit zu tun, daß hier eine unfähige Geschäftsleitung am Werke war?

Das ist sicherlich nicht ganz falsch. Der Spiegel hat mal geschrieben, daß mit der Verpflichtung von Nawrocki bereits alles falsch gemacht worden war. Ich weiß, daß beim Regierenden Bürgermeister während der Bewerbungsphase heftige Überlegungen angestellt wurden, sich von Nawrocki zu trennen. Das ging aber nicht, weil man sich zuvor schon von der merkwürdigen Erscheinung Grüttke getrennt hatte und Diepgen befürchtete, man könne die Olympiabewerbung gleich aufgeben, wenn man sich auch vom zweiten Geschäftsführer trenne. Dann darf man sich nicht wundern, daß die Bewerbung so in die Hose ging.

Darf man Nawrocki alles anlasten, was dort an Protzgehabe passiert ist? Das scheint doch die allgemeine Philosophie gewesen sein.

In einer GmbH hat der Geschäftsführer weitgehende Vollmachten. Wenn jemand die ausreichenden Qualitäten hat und damit umgehen kann, dann kann damit auch sehr Gutes bewirkt werden. Zu diesen Qualitäten gehören auch Anstand und Moral. Es kann nicht sein, daß eine Stadt, die finanziell auf den Felgen geht, bei einer Olympiabewerbung das Geld mit vollen Händen zum Fenster rausschmeißt, ohne daß über Mark und Pfennig Rechenschaft abgelegt wird.

Dachte man bei der Olympia GmbH nicht, wenn Berlin den Zuschlag erhält, fragt keiner mehr nach diesen Kosten?

Natürlich. Die internationale Abteilung der Olympia GmbH hat in völliger Verkennung der Tatsachen immer wieder die Meinung vertreten, daß Berlin die Nummer eins und nahezu unschlagbar sei. Das wurde wie ein Rausch. Da hat man dann gesagt, es interessiert doch keinen Menschen mehr, ob da eine Million mehr oder weniger rausgeschmissen worden ist. Ich habe immer vor solcher Überheblichkeit gewarnt. Daran sieht man, daß die Philosophie von Anfang an falsch war. Statt nüchterner Analyse gab es diese Cassius-Clay-Manier.

Haben Sie das auch Nawrocki so gesagt?

Ja. Je länger wir zusammengearbeitet haben, umso heftigere Auseinandersetzungen hatten wir. Ich habe ihn vor manchen Dingen gewarnt. Diese Meinung spielte aber keine Rolle und wurde auch nicht – zumindest nicht mehrheitlich – vom Aufsichtsrat geteilt.

Jetzt soll Nawrocki noch Honorar für die Liquidation erhalten.

Dafür fehlen mir die Worte. Selbst wenn dies vertraglich so ausgehandelt wurde, dann müssen die zur Rechenschaft gezogen werden, die solche unsinnigen Verträge aufgesetzt haben.

Dafür sind Politiker verantwortlich.

Deswegen muß jetzt Tabula rasa gemacht werden. Das kann nur ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß. Der Aufsichtsrat besitzt offenbar nicht die Kraft, das selbst zu tun und Herrn Nawrocki in die Schranken zu weisen. Interview: Gerd Nowakowski