■ Ein Düsseldorfer Kunstkonditor macht's möglich:: Ein mörderisches Zuckerbankett
Düsseldorf (taz) – Warum ist es am Rhein so süß? Weil hier eine regelrechte Zuckerlandschaft gedeiht. Aufgebaut auf einer langen, langen Tafel. Obstbäume und Zypressen sprießen empor, dazwischen tummeln sich Rösser, Löwen, Pfauen und anderes Getier, und über allem thront in der Mitte eine trutzige Burg. Die knatschbunte, kalorienreiche Installation ist eine freie Nachbildung jenes „Zuckerbanketts“ von 1585, woran sich die Gäste der Fürstlich Jülischen Hochzeit delektierten, als sie nach einem nicht enden wollenden Festfraß noch Appetit auf einen kleinen Nachtisch verspürten. Angefertigt hat das Modell der ausgebuffte Kunstkonditor Georg Maushagen, 44, der ein „Institut für Patisserie und Zuckergestaltung“ unterhält und schon mit einschlägigen Büchern hervorgetreten ist: „Faszination in Zucker“ und „Faszination in Marzipan“.
Wohl nie hat das Residenzstädtchen eine aufwendigere Hochzeit erlebt als jene vor 409 Jahren, bei der es von kaiserlichen, königlichen, kurfürstlichen, erzherzoglichen, markgräflichen und sonstigen hohen Tieren ähnlich wimmelte wie auf der allegorischen Naschtafel. Zum achttägigen Lustbarkeitsprogramm gehörten Schauessen und Schaukämpfe, Tänze und Turnierspiele, Wasserspektakel und Feuerwerke. Hunderte von Hirschen, Schweinen und Ochsen gingen bei der Gelegenheit den Weg alles Irdischen, tausende Hasen, Hühner und Forrellen halfen die Gaumen kitzeln, und dazu floß der „ungrische“, der mährische und der Rheinwein in Strömen.
Der ganze Aufwand stand freilich im umgekehrten Verhältnis zum Gefühlsleben des Brautpaares. Prinz Johann Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg hatte mit Jakobe von Baden nicht das Geringste am Hut, zudem litt er „an stillem Wahnsinn“. Es half nichts – katholisch-dynastisches Machtkalkül zwang den einzigen Sproß des Hauses ins Joch mit Jakobe, die sich ihrerseits mit Händen und Füßen dagegen gesträubt hatte, denn sie liebte einen anderen. An der verkorksten Situation vermochten auch die originellen Betthupferl vom Zuckerbankett nichts zu ändern, mit welchen sich die frisch Vermählten in die Hochzeitsnacht verfügten, und vergeblich blieben all die gutgemeinten Anspielungen der Hofzuckerbäcker – der Klapperstorch, der kraftvoll springende Hirsch, die munteren Vöglein im Geäst: Die Ehe blieb kinderlos.
Schlimmer noch, von den Wünschen, die ein zeitgenössischer Verseschmied und Kupferstecher dem Paar mit auf den Weg gab: „Gnad, frid, Frucht und ein langes leben“, ließ der liebe Gott nicht einen einzigen in Erfüllung gehen. Johann Wilhelm versank immer tiefer in seiner „schweren Blödigkeit“, Jakobe setzte ihn hinter Schloß und Riegel und versuchte nicht nur die politischen Zügel selbst in die Hand zu nehmen, sondern endlich auch ein wenig persönliches Glück zu finden – mit Hilfe ihres Kämmerlings Dietrich von Hall. Das war der vereinigten Hofkamarilla zuviel, und so geschah es, daß die Herzogin eines Morgens tot in ihrem Bette lag – erdrosselt oder vergiftet, so genau mochte das niemand untersuchen. Hauptsache, der umnachtete Gemahl war frei für ein neuerliches Vermehrungsexperiment.
Ein ärmlicher Leichenzug geleitete Jakobe zu ihrem Grab. Man schrieb das verflixte dreizehnte Jahr nach dem Zuckerbankett. Jetzt steht die Nachbildung aus 600 Kilogramm Isomalt, einem Zuckeraustauschstoff, im Stadtmuseum Düsseldorf (bis 28. Januar). Neuen Schaden wird sie kaum anrichten. Denn zwar zieren auch Teller und Messer das Gesamtkunstwerk, doch laut Hinweisschild ist der „Zucker nicht zum Verzehr geeignet“. Olaf Cless
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