Bednarz im Osten

■ 10.000 Kilometer "Reise durch Ostpreußen", Teil1 heute um 21.40 Uhr in der ARD, Teil2 folgt Neujahr um 22.30 Uhr

Wer vor zehn Jahren das Wort Ostpreußen in den Mund nahm, machte sich schon allein durch die Namensnennung verdächtig, die Sache jener ewiggestrigen Vertriebenenverbände zu betreiben. Nun, da der Osten nicht mehr ist, was er mal war, outen sich plötzlich Leute als Ostpreußen-Fans, denen man diese heimliche Leidenschaft eigentlich nicht zugetraut hätte. Daß die Dönhoffsche Gräfin Marion sich lang und breit Gedanken über diesen Landstrich machte, konnte nicht weiter verwundern. Aber als Ralph Giordano dann einen dicken Wälzer über Preußen auf den Markt warf, legten wir doch schon leicht irritiert die Stirn in Fältchen.

Und nun ist Klaus Bednarz, als Linksaufrechtester allen Revanchismus-Gelüsten gewiß unverdächtig, 10.000 Kilometer kreuz und quer durch die Lande gefahren, um sich mal wieder als Filmemacher zu versuchen. Herausgekommen ist dabei eine zweiteilige Dokumentation, die zwischen glühender Liebeserklärung und nüchterner Bestandsaufnahme balanciert. Dabei zaubert Kameramann Peter Kaiser im ersten Teil – über das polnische Ostpreußen – Bilder auf den Fernsehschirm, deren imposanter Schönheit man sich kaum entziehen kann.

Selbst wenn man weder „Güter im Osten“ verloren noch – wie Bednarz – seine Kindheit dort verbracht hat. Pittoreske Alleen, schmucke Dörfchen (Klapperstörche inklusive), absolut postkartentaugliche Sonnenuntergänge über masurischen Seen und immer wieder am weiten Himmel dahinflitzende Wolken. Dazu ein paar hübsche, bisweilen schwerst melancholische Celloklänge...

Allerliebst. Da nimmt sich der Journalist Bednarz schon fast wie ein Störfaktor aus, wenn er ungelenk über die Äcker stakst, um Bauersleut nach ihrer Sicht der Dinge zu befragen. Und natürlich hat er auch jene deutschen Busladungen interviewt, die ihre alte Heimat bereisen. Doch sie zeigen sich alle politisch korrekt, kein großdeutscher Träumer dabei.

Der zweite Teil der Dokumentation, der dem nördlichen, heute zu Rußland gehörenden Ostpreußen gewidmet ist, fällt um einiges trüber aus. Was bis vor drei Jahren noch militärisches Sperrgebiet war, bietet ein Bild der grotesken Verwahrlosung, daß es einen schon dauert. Ob es nun die Art ist, wie man in Königsberg dem Kulturerbe mit Plattenbauten den Garaus gemacht hat, oder ob auf brachliegenden Ländereien Maschinen langsam vor sich hinrosten – hier verströmt alles das Flair von No Future. Reinhard Lüke