■ Schneller zum Saturn dank der Bücher vom Müll
: „DDR-Fachbücher oft viel besser“

Göttingen (taz) – Im Bücherlager des Katlenburger Pfarrers Martin Weskott sind jetzt auch Wissenschaftler des in der niedersächsischen Gemeinde Lindau ansässigen Max-Planck-Instituts für Aeronomie fündig geworden. Allein der Physiker Hans Lauche hat sich in den vergangenen Wochen mit mehr als hundert Bänden aus den Beständen des Pastors eingedeckt. Die naturwissenschaftlichen Fachbücher ehemaliger DDR- Verlage sind für den Forscher „ein wahrhaftiges Weihnachtsgeschenk von unschätzbarem Wert“.

Lauche und seine Kollegen arbeiten seit Jahren an einer Sonde, die 1996 ins Weltall geschossen werden und die Wasserstoffeinstrahlung auf dem Planeten Saturn messen soll. „Bislang hatten wir vor allem mit der Werkstoffkombination für unser Teleskop Probleme“, berichtet Lauche. In den Büchern seien verschiedene Komponenten und mögliche Alternativen so schlüssig dargestellt worden, daß die Fertigstellung des Meßgeräts „jetzt entscheidend beschleunigt werden kann“.

„Die DDR-Fachbücher waren ohnehin oft viel besser“ als vergleichbare Werke aus dem Westen, glaubt der Wissenschaftler, der sich am Max-Planck-Institut mit den physikalischen und chemischen Prozessen in der höheren Atmosphäre beschäftigt. Er begründet diesen „Fakt“ damit, daß Wissenschaft in der DDR nicht unbedingt unter ökonomischen Verwertungskriterien betrieben worden sei. Während die bundesdeutsche und US-amerikanische Fachliteratur vor allem Themen aufgegriffen habe, die sich möglicherweise einmal vermarkten ließen, sei dies im Osten Deutschlands nicht der Fall gewesen.

Pastor Martin Weskott, der in den vergangenen Jahren mehr als eine halbe Million in der DDR produzierte, in den Wirren von Wende und Wiedervereinigung weggeworfener Bücher vor dem Verfall gerettet und nach Katlenburg geschafft hat, äußerte sich über das Lob Lauches erfreut. „Damit hat sich wieder einmal gezeigt, daß die geretteten Bücher nicht nur einer kleinen Schar Literaturinteressierter Freude bereiten“, sagt der Pfarrer. Weskott, der in immer größerem Umfang auch Literaturanfragen aus osteuropäischen Staaten befriedigt, hat im übrigen vor Weihnachten eine Sendung Kinderbücher auf den Weg nach Sarajevo gebracht. Reimar Paul