Diplomatischer Druck nach Brandanschlag

■ Türkei fordert Bundesregierung auf, Brand in Reichertshofen zu klären

Nürnberg (taz) – Mit einer diplomatischen Note hat die Türkei die Bundesregierung offiziell gebeten zu untersuchen, ob ein Feuer im oberbayerischen Reichertshofen auf einen Brandanschlag zurückzuführen ist. Bei dem Feuer waren am Vormittag des 24. Dezember ein 38jähriger türkischer Staatsangehöriger und dessen fünfjähriger Sohn ums Leben gekommen.

Der Brand war im Zentrum des 6.000 Einwohner zählenden Ortes Reichertshofen bei Ingolstadt am Heiligen Abend vormittag ausgebrochen. Laut Darstellung der Ingolstädter Polizei habe sich das Feuer in dem von einer türkischen Familie bewohnten Haus „blitzartig“ ausgebreitet. Die Mutter konnte sich ins Freie retten, der Vater hatte seine beiden elf- und zwölfjährigen Töchter überredet, aus dem ersten Stock des brennenden Hauses zu springen, und sie aufgefangen. Trotz massiver Rauchentwicklung war er ins Haus zurückgeklettert, um den fünfjährigen Sohn zu retten. Rettungskräfte konnten später den Vater und den Jungen nur tot bergen.

„Es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt für einen Brandanschlag“, erklärte Manfred Wittek, Pressesprecher der Ingolstädter Polizei. Auch sei der Vormittag des 24. Dezember, wo jeder noch schnell etwas einkaufe, wohl „keine Zeit, um einen Anschlag zu fabrizieren“. Nach den bisherigen Ermittlungen sei das Feuer in einem Vorbau des Hauses ausgebrochen. Den hatte der 38jährige Türke als private Kfz-Reparaturwerkstatt genutzt. Als Brandursache käme, so Wittek, nur ein technischer Defekt in Frage. Der Polizeisprecher gab jedoch zu, daß sich die Ermittlungen nicht einfach gestalten. Das Haus sei bis auf die Grundmauern niedergebrannt, und die Mutter sei mit den Töchtern in die Türkei gefahren, ohne bei der Polizei vorher Angaben zu machen.

Irgendwelche Hinweise auf rechtsextreme Aktivitäten in und um Reichertshofen liegen Wittek nicht vor. Daß es in den etwa 20 Kilometer von Ingolstadt entfernten Neuburg und Vohburg seit etlichen Jahren eine Neonaziszene aus Sympathisanten der im November 1992 verbotenen militanten „Nationalistischen Front“ gibt, will Wittek ebensowenig bewerten wie die diplomatische Note der türkischen Regierung. Bonn sei eben „weit weg“. In der Note fordert die türkische Regierung die Bundesregierung auf, den Fall genau zu untersuchen, da in der Vergangenheit immerhin in 64 Prozent aller Brandstiftungen die Täter nicht ermittelt worden seien. Allein in den Monaten September und Oktober hat das Bundeskriminalamt 19 Brandanschläge mit vermuteter fremdenfeindlicher Motivation gezählt. Während das Auswärtige Amt der Bundesrepublik und das Innenministerium dementierten, eine derartige diplomatische Note erhalten zu haben, betonte Ferhat Ataman, Sprecher des türkischen Außenministeriums, noch einmal die Motivation der Türkei für diesen Schritt. Die Lebenssicherheit von Millionen Türken in Europa habe für die Türkei höchste Priorität. Bernd Siegler