Münchner Blech

■ "Abbie Conant - Allein unter Männern", 22.50 Uhr, 3sat

Die Intendanz der Münchner Philharmonie hatte eigentlich „Herrn Abbie Conant“ aus Oklahoma, Soloposaunist am Königlichen Opernhaus zu Turin, zum Vorspiel eingeladen. Um Männern und Frauen gleiche Chancen einzuräumen, bliesen die Bewerber für die begehrte Stelle des Soloposaunisten auf Geheiß des ehemaligen Chefdirigenten Rudolf Kempe hinter einem Vorhang. Dort vermochte Abbies Spiel zu überzeugen. Sie wurde erste Solistin in einem namhaften deutschen Orchester, wo Frauen, wenn überhaupt, nur die zweite Geige spielen.

Dirigent und „Maestro“ Celibidache – der „Marlon Brando der Dirigenten“ –, der den Münchner Philharmonikern von der Provinzkapelle zum Orchester von Weltruhm verhalf, kochte vor Wut. Der rumänische Musikpatriarch stand mit seinem kleinen Stöckchen am Pult, und Frau Conant aus der ersten Reihe blies ins dicke Rohr: „Du kennst das Problem – wir brauchen einen Mann für die Soloposaune“, raunste er die Conant an, die nach Ablauf ihres Probejahres kommentarlos zur stellvertretenden Solo-Posaune zurückgestuft wurde.

Das war 1980. Abbie Conant ließ sich auf einen erniedrigenden 12jährigen Rechtsstreit ein, den ihre Freundin, die Regisseurin Brenda Parkerson in allen Einzelheiten mit viel Witz dokumentiert.

Um die Geschichte mit all ihren juristischen, sexistischen, phil- und disharmonischen Zwischentönen darzustellen, erzählt Brenda Parkerson den Fall auf zwei Ebenen. Neben Interviews, essayistischen Exkursen über Blech sowie Frauen in der Musik und im Weltall, hat sie die zahlreichen Gerichtsverhandlungen in Form eines kabarettistischen Singspiels nachinszeniert.

Die Infamie gegenüber der nachweislich erstklassigen Musikerin kommt so in all ihren Details zum Ausdruck. Die Frechheiten des Dirigenten hat Abbie sich fleißig notiert, und der (frühere DDR)-Liedermacher Hans-Eckardt Wenzel hat aus diesem Material ein Libretto gereimt. Die Originalmusik für diese tragikomische Operette komponierten Mark Fox und Jeffrey Hinze. Inszeniert ist das ganze in einem fies überzeichneten Rokoko-Dekor, was als Anspielung auf die Kulisse der ehrwürdigen Münchner Philharmonie mit ihrem mafiotischen (Kultur-) Filz durchaus seinen Reiz hat.

„Allein unter Männern“ ist ein interessanter filmischer Versuch. Das musikalische Thema der Dokumentation wird formal aufgegriffen und im doppelten Sinn spielerisch reflektiert. Ein ungewöhnlicher und künstlerisch aufwendiger Versuch, die starren Grenzen des Dokumentarfilms zu sprengen. Manfred Riepe

(siehe auch: taz vom 29.12.)