Ruandas Mörder warten auf den nächsten Einsatz

■ In den Flüchtlingslagern von Zaire rüstet Ruandas Ex-Armee zum Kampf

Berlin (taz) – „Wir flogen nach Goma mit 36,5 Tonnen Waffen, vor allem Handgranaten. Man hatte mir klar gesagt, es sei eine Lieferung von Regierung zu Regierung. Das stimmte aber nicht ... Es wurde immer offensichtlicher, daß irgend etwas faul war, da das Ausladen um zwölf Stunden verzögert wurde. Ausgeladen wurde die Fracht schließlich mitten in der Nacht.“ Mit dieser Schilderung packte der britische Flugkapitän Mike Selwood Mitte November im britischen Fernsehen über geheime Waffenflüge der britischen Firma „Peak Aviation Services“ (PAS) in die ruandischen Flüchtlingslager im Osten Zaires aus.

PAS flog insgesamt vier Flugzeuge mit Militärgerät nach Goma. Die Route begann im israelischen Tel Aviv und führte über Albaniens Hauptstadt Tirana führte. Die Fernsehaufnahmen zeigten Kisten mit ägyptischen Waffen, die Israel 1967 im Sechstagekrieg erbeutet hatte. Die Lager in Goma, hieß es, seien zu einem Eldorado für Waffenhändler aus aller Welt geworden.

Das für den Mord an über 500.000 Menschen verantwortliche einstige ruandische Regime floh im Juli mit Waffen, Geld und über einer Million Zivilisten nach Zaire. Andere Ruander flohen nach Tansania und Burundi. Immer wieder wird seither von dort mit einer militärischen Rückkehr nach Ruanda gedroht. Die französische Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF) brach vor kurzem ihre Arbeit mit den 400.000 ruandischen Flüchtlingen in Tansania mit der Begründung ab, die frühere ruandische Armee habe in den dortigen Lagern die Kontrolle übernommen und führe militärische Übungen durch. Die Hilfsorganisation Oxfam berichtet, Tausende von Ex-Soldaten seien aus den Lagern beim zairischen Goma in Militärcamps bei der Stadt Kivu abgezogen worden, wo sie auf den Angriffsbefehl warteten. Nach einem Bericht des britischen Guardian wird in den Lagern Chimanga und Kanganiro nahe Bukavu an der Grenze zu Ruanda für einen Krieg trainiert, der nach Angaben von Kommandant Theoneste Bagasora „der Art, wie ihn die Palästinenser führten“, gleichen soll: „Mit Waffen, Ungehorsam und Destabilisierung.“

Für den Kampf gegen die RPF sollen ruandische Exilanten in Ländern wie Belgien und Kenia Geld und Unterstützung sammeln. Alex de Waal von der Menschenrechtsorganisation African Rights spricht von über 100 einstigen ruandischen Ex-Regierungsbeamten in Kenia, die das Land als „Durchgangsstation für Geld an die Lager in Goma und Bukavu“ benützten. Britische Beobachter vermuten, daß in den zairischen Lagern auch französische Berater aktiv sind.

Bukavu liegt an der Grenze zum Südwesten Ruandas, wo die französische Armee bis in den Sommer hinein eine „Schutzzone“ unterhielt und wo immer noch 350.000 Menschen leben, die vor der RPF dorthin geflohen waren. Mehrmals ist es dort schon zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Hutu- Flüchtlingen und RPF-Einheiten gekommen. Die RPF will die dortigen Flüchtlingslager so schnell wie möglich auflösen, da sie sie als Zentren eines möglichen neuen Bürgerkriegs auffaßt. 2.000 UNO- Soldaten durchsuchten Mitte Dezember mehrere Lager nach Waffen – allerdings ohne Erfolg.

Die zunehmende Verärgerung der Hilfsorganisationen über die Aktivitäten bewaffneter Ruander in den zairischen Lagern veranlaßte UNO-Generalsekretär Butros Ghali Ende November dazu, dem UN-Sicherheitsrat die Entsendung einer bis zu 5.000 Mann starken Blauhelmtruppe in die Flüchtlingslager vorzuschlagen. Der Sicherheitsrat hat bisher allerdings noch nicht einmal über diesen Vorschlag beraten. Die US- Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch äußert in diesem Zusammenhang einen düsteren Verdacht: „Vorbereitungen der gut bewaffneten früheren Armee für die Rückkehr nach Ruanda mit der ausdrücklichen Absicht, den Völkermord an der Tutsi-Minderheit zu vollenden, begegnen einflußreiche Regierungen offenbar mit Gleichgültigkeit, wenn nicht sogar mit Komplizenschaft.“ Dominic Johnson