Sachsen-Anhalts PDS vor der Pleite

■ Der Finanzskandal der Magdeburger PDS entwickelt sich zur Führungskrise / Landeschef soll Vertrauensfrage stellen

Magedeburg (taz) – „Wo kein Geld ist, ist der Teufel, wo welches ist, ist er zweimal“, dichtete der Umweltexperte der PDS in Sachsen-Anhalt, Volker Lüderitz. Um die Höllenqualen seiner Parteigenossen muß sich Lüderitz weniger Sorgen machen. Viel Geld ist nicht mehr in der Kasse des PDS- Landesverbandes. Schatzmeister Rolf Bernhardt hat zwei Drittel des Parteivermögens, rund 210.000 Mark, bei riskanten Dollarspekulationen in den Sand gesetzt.

„Schwamm drüber“, lautete die Devise

Bernhardt trat zwar zurück, aber den enttäuschten Genossen in Sachsen-Abhalt reicht dieses Bauernopfer nicht. Immer unverhohlener fordern sie auch den Kopf von PDS-Landeschef Roland Claus. „Der Landesvorstand tut eine Weile zerknirscht“, kritisierte Volker Lüderitz in einem offenen Brief an die Partei, und glaubt zu ahnen, wie die Sache weiter behandelt werden soll: „Schwamm drüber, über das Moos“. Er jedenfalls, so kündigte der Umweltexperte an, werde künftig seine bisherigen regelmäßigen Spenden auf das Konto des Landesverbandes in Öko-Projekte umleiten.

Anfang Dezember flog Bernhardts dubioses Dollargeschäft auf. Damals konnte der PDS-Kassenwart nichts mehr verheimlichen, aber auch keinen Pfennig des verspekulierten Geldes mehr retten. Der Landesvorstand hätte schon sehr viel früher von der Finanzmisere wissen müssen, kritisiert jetzt die Basis. Denn schon im Juni legte Bernhardt gegenüber seinem PDS-Landeschef ein Teilgeständnis ab. Roland Claus wollte sich aber nicht damit belasten und verzichtete auf die Schilderung von Einzelheiten. Mitten in der Wahlkampfzeit wären Nachrichten über politisch fragwürdige Dollartermingeschäfte beim Wähler vermutlich nicht gut angekommen, glaubten Claus und andere Mitglieder des geschäftsführenden Landesvorstandes.

Das könnte Claus jetzt zum Verhängnis werden. Denn bei einer Sitzung des erweiterten Landesvorstandes sollen der Parteichef, seine beiden Stellvertreterinnen Rosemarie Hein und Sabine Dirlich sowie Landesgeschäftsführer Michael Entrich die Vertrauensfrage stellen.

„Claus hat mit seiner Rumeierei nach dem Auffliegen des Skandals die Sache noch schlimmer gemacht, als sie ohnehin schon ist“, klagt ein junger Genosse aus der Erneuerer-Fraktion der PDS. Tatsächlich hat der Landesvorstand bei einer Diskussion über das Ausmaß des Finanzskandals PDS- Mitglieder von der Vorstandssitzung ausgeschlossen. Ein klarer Verstoß gegen die Satzung, nach der alle Gremiensitzungen zumindest parteiöffentlich sind.

Claus selbst hat die Vertrauensfrage angeboten, die er der Partei Anfang Januar stellen will – und auch gleich seinen persönlichen Favoriten für eine Nachfolgeregelung benannt: den Parlamentarischen Geschäftsführer der Landtagsfraktion Wulf Gallert. „Aber der wird kaum eine Mehrheit finden“, glaubt ein Genosse.

Der Sturz von Roland Claus könnte in Sachsen-Anhalts PDS zu einer massiven Verschiebung der Machtverhältnisse zwischen den einzelnen Flügeln führen. Die Erneuerer aus der früheren FDJ- Riege, die in der Wendezeit die Macht in der Landespartei übernommen und die Kreisverbände hinüber in die neue Zeit geführt haben, bevölkern jetzt zwar den Landesvorstand und die Landtagsfraktion. In den Landkreisen haben sich jedoch längst Technokraten und überzeugte Altkommunisten auf den Chefsesseln der Partei zurückgemeldet. „Zum Teil machtorientierte Leute, zum anderen Teil Unverbesserliche, die alten Zeiten nachtrauern und am liebsten den Kommunismus wieder einführen möchten“, glaubt ein Mitglied. Die Erneuerer-Fraktion befürchtet, zwischen diesen beiden Flügeln aufgerieben zu werden. Sie besteht überwiegend aus jungen Parteimitgliedern, die entweder der FDJ entstammen oder erst nach der Wende in die PDS eingetreten sind und bewußt für deren Oppositionsstatus eintreten.

Gerade die Kreisfürsten sägen derzeit ganz massiv an den Stühlen des bisherigen Landesvorstandes. Der Ohrelandkreis im Süden des Landes, einer der größten Kreisverbände der PDS in Sachsen-Anhalt, hat wegen des Finanzskandals bereits sämtliche Zahlungen an den Landesverband eingestellt. „Wenn diesem Beispiel noch zwei, drei größere Kreisverbände folgen, stehen wir bald vor dem finanziellen Bankrott“, glaubt ein Mitglied der Landtagsfraktion.

Ein Kreisverband stellte schon seine Zahlungen ein

Ein finanzieller Bankrott lasse sich, ebenso wie der politische Bankrott, nur abwenden, wenn Roland Claus jetzt alle Karten auf den Tisch lege. „Er muß überzeugend erklären, wer wann was wußte und wer welche Fehler gemacht hat.“ Nur so, glauben junge Genossen, könne sich Claus bis zu seinem regulären Abtritt 1996 vor einer Machtübernahme durch Altkader retten. Eberhard Löblich