Vom Rollstuhl blieb nur ein Klumpen Metall

■ Am Silversterabend: Bereits der zweite Brandanschlag auf schwarzen Rollstuhlfahrer in Marzahn / Die Polizei ermittelt

Bereits zum zweiten Mal innerhalb von gut einem Jahr mußte Nemera Desisa am Silvesterabend um sein Leben zittern. Schon am 9. Dezember 1993 hatte ein Brandanschlag in einem achtstöckigen Hochhaus in Marzahn seinen Rollstuhl restlos zerstört. Die Feuerwehr rettete damals den schlafenden Schwerbeschädigten vor den Flammen. Auch vorgestern blieb der aus Äthiopien stammende und mittlerweile eingebürgerte Mann samt Ehefrau und Kindern nur deshalb unversehrt, weil die von Nachbarn alarmierte Feuerwehr sehr schnell eintraf.

Weil er vor dem Feuer ja nicht davonlaufen oder sich über eine Leiter retten könne, habe er fest geglaubt, „daß das für mich der letzte Tag ist“, berichtete der 37jährige. Genauso wie zuvor habe ein Unbekannter Brennstoff auf den Rollstuhl im Flur vor seiner Wohnung gegossen. Fußboden und Wand seien in Brand geraten, „der ganze Flur brannte“. Von dem 15.000 Mark teuren Gerät, das die Krankenkasse ihm nach dem ersten Anschlag anstandslos ersetzte, blieb wiederum bloß ein Klumpen Metall übrig. Zwei Nachbarinnen mußten wegen der Aufregung mit Herzproblemen ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Der Diplomökonom ist nicht nur schwarz und behindert, er ist als Vorsitzender des Allgemeinen Behindertenverbandes in Deutschland (ABiD) und als stellvertretender Vorsitzender des Deutsch-Afrikanischen Zentrums in Berlin außerdem ein engagierter Mensch. Politisch-rassistische Gründe hinter dem Doppelanschlag zu vermuten, liegt also sehr nahe.

1993 hegte Nemera Desisa den bis heute nicht widerlegten Verdacht, sein Nachbar, ein bekennender Nazi, könnte dahinterstecken. Der habe einmal versucht, seine Tür aufzubrechen, andere Male habe er Morddrohungen ausgestoßen oder seinen beiden Kindern den Weg in ihre Wohnung versperrt. Er zeigte den Mann an, doch selbst nach dem ersten Brandanschlag geschah so gut wie nichts. Der Nachbar sei es „sicher“ nicht gewesen, kommentierte damals ein Polizeisprecher.

Angesichts dessen will der Behinderte „nicht noch einmal Anzeige stellen“. Dabei komme ja doch nichts heraus. Im Gefolge der Feuerwehr war auch die Polizei vor Ort. In dem Bericht, der dem polizeilichen Lagedienst vorlag, war aber von Brandstiftung nicht die Rede. Nun hat der schwarze Deutsche „Angst hierzubleibe und Angst wegzuziehen“. Schließlich seien seine Kinder in ihrer Schule gut integriert und eine behindertengerechte Wohnung nur schwer zu finden. Ute Scheub