: Ein Korridor nach Biha?
■ Eine politische Lösung für Bosnien ist trotz Waffenstillstand nicht in Sicht
Genf (taz) – Nr. 32, 33 oder 34? Selbst kontinuierliche Beobachter wissen nicht genau zu sagen, wie oft während der inzwischen 1.000 Tage währenden Belagerung Sarajevos bereits die „völlige Einstellung aller Feindseligkeiten“ vereinbart wurde. Sicher ist nur, daß sämtliche Punkte, die nach tagelangen Vermittlungsbemühungen der UNO am Samstag von Bosniens Präsident Alija Izetbegović und dem Führer der bosnischen Serben Radovan Karadžić bei getrennten Terminen in Sarajevo und Pale unterzeichnet wurden, bereits in frühereren Waffenstillstandsübereinkünften enthalten waren. Überwacht werden soll die seit Sonntag mittag und zunächst bis zum 30. April geltende „Waffenruhe an allen Fronten“ durch gemeinsame „Verbindungsausschüsse“ unter Vorsitz der Unprofor. Bereits gestern nachmittag trat der zentrale Ausschuß am Flughafen Sarajevo zusammen zur „Klärung noch offener Details“ bei der Umsetzung der Truppenentflechtung und anderer zentraler Punkte der Waffenstillstandsvereinbarung. Dabei geht es um die genaue Festlegung der Positionen, auf die die militärischen Verbände zurückzuziehen sind, der Stationierungorte für die Überwachungseinheiten der Unprofor sowie die Modalitäten für den Abzug schwerer Waffen mit einem Kaliber ab 12,7 Millimeter. Ohne eine einvernehmliche Klärung dieser „Details“ dürfte der für die Bevölkerung Bosniens wichtigste Punkt 5 der Waffenstillstandsvereinbarung kaum Realität werden.
Darin „verplichten“ sich die Kriegsparteien, der Unprofor und anderen internationalen Organisationen „volle Bewegungsfreiheit“ in ganz Bosnien zu gewähren. Dies könnte zur Einrichtung dauerhafter Versorgungskorridore durch serbisch besetzte Gebiete führen: nach Sarajevo und Tuzla, sowie in die UNO-Schutzzonen. Eine dieser Zone liegt in der umkämpften Enklave Bihać. Die Verpflichtung Karadžićs zur Gewährung der „Bewegungsfreiheit“ war für die bosnische Regierung die wichtigste Vorbedingung zur Unterzeichnung des Waffenstillstandes. Hinsichtlich der Situation in Bihać begnügte sich die Regierung mit der Vereinbarung einer „Zusammenarbeit beider Seiten mit Unprofor bei der Überwachung des Abzugs aller ausländischen Truppen“.
Gemeint sind die Verbände der kroatischen Serben, die an dem Waffenstillstandspakt nicht beteiligt sind. Von dem abtrünnigen Muslimführer Fikret Abdić, dessen Truppen die Serben bei den Angriffen auf Bihać unterstützten, liegt lediglich eine UNROFOR- Kommandeur Michael Rose gegebene mündliche Zusicherung zur Einhaltung der Waffenruhe vor.
Vertreter der internationalen Kontaktgruppe wollen bereits diese Woche in Sarajevo sowie möglicherweise ab Mitte Januar in Genf wieder Gespräche über eine politische Lösung des Bosnien- Konflikts führen. Die Chancen für eine Lösung seien durch die Waffenstillstandsvereinbarung gestiegen, äußerten US-Präsident Clinton und andere westliche Politiker in ersten Reaktionen. Für diese Hoffnung gibt es allerdings zumindest bislang keine reale Basis. Bosniens Präsident Izetbegović bekräftigte bei Unterzeichung der Vereinbarung die Forderung, daß die vorherige Annahme des Teilungsplans der Kontaktgruppe durch die bosnischen Serben Voraussetzung für künftige Verhandlungen sei.
Karadžić und andere führende Vertreter der Pale-Serben hatten diesen Plan in der letzten Woche erneut öffentlich zur Makulatur erklärt. Auch der Kontaktgruppe liegen die detaillierten Forderungen der Pale-Serben nach 64 Prozent des bosnischen Territoriums und Recht auf Ausrufung eines eigenen, unabhängigen Staates vor, die Karadžić am 19. Dezember dem ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter bei dessen Vermittlungsversuch in Pale übergeben hatte. Andreas Zumach
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