Lafontaine endlich wieder Außenminister

■ Der stellvertretende SPD-Chef will keine deutschen Tornado-Einsätze in Bosnien / Differenzen zu Scharping / "Friedenstiftende Kriegsführung" darf kein Bestandteil deutscher Außenpolitik werden

Berlin (taz) – Die Lage in Bosnien hat sich entspannt. Davon profitiernen nicht nur die Konfliktparteien. Auch die SPD darf sich freuen. Mit dem gestern in kraft getretenen Waffenstillstand verliert die Frage einer militärischen Unterstützung der Bundeswehr bei der Durchsetzung von Hilfslieferungen oder der Evakuierung der Blauhelmsoldaten ihre vorweihnachtliche Brisanz. Eine Entscheidung des Bundestages über die Entsendung deutscher Tornados steht nicht an. Der SPD bleibt Zeit, ihre Meinungsverschiedenheiten zu moderieren. Diese Moderation allerdings ist schwieriger geworden. Während sich Parteichef Rudolf Scharping kurz vor den Feiertagen in einem Schreiben an Bundestagsfraktion und Parteivorstand für die militärische Unterstützung einer eventuellen Evakuierungsaktion ausgesprochen hatte, antwortet in der jüngsten Ausgabe des Spiegel sein Stellvertreter Oskar Lafontaine mit einem klaren Nein.

Die Bereitschaft, Tornados ins bosnische Kriegsgebiet zu entsenden, wertet der saarländische Ministerpräsident als „absurdes Angebot“. Von einer „Verpflichtung zur Bündnissolidarität“ könne im Falle der Tornado-Anfrage keine Rede sein. Genau damit jedoch hatte nicht nur Kohl, sondern auch Scharping „unzweifelhaft“ die Notwendigkeit eines Einsatzes begründet. Das, so Lafontaine, behaupte nicht einmal die ansonsten eher interventionsfreudige FAZ.

Doch nicht nur für den konkreten Fall zieht Lafontaine deutliche Grenzen sozialdemokratischer Kompromißfähigkeit: „Friedenstiftende Kriegsführung“ dürfe „nicht Bestandteil der deutschen Außenpolitik“ sein. Angesichts der Vielzahl ethnischer Unruhen und Bürgerkriege würden „die neuen Kreuzritter“ schnell an ihre Grenzen stoßen.

Auch für die Nato fordert Lafontaine eine zurückhaltende Aufgabenbeschreibung: Koalition und „Teile der Opposition“ müßten sich fragen lassen, ob sie dem westlichen Bündnis „die Rolle zuweisen wollen, überall in der Welt zu intervenieren“. Mit Helmut Schmidt, dessen sicherheitspolitischen Vorstellungen er in der Vergangenheit nicht immer folgen wollte, fordert Lafontaine jetzt, die Nato müsse sich „auf ihre ursprüngliche Aufgabe konzentrieren: die gemeinsame Verteidigung ihrer Mitglieder im Bündnisfall“. Hierfür müsse die deutsche Politik eintreten. Keinesfalls dürfe die Nato „zum Spielball kurzfristiger Entscheidungen des UNO-Sicherheitsrates werden“.

Die SPD soll jetzt klarstellen, daß es bei der Zustimmung zu Kampfeinsätzen der Bundeswehr sowie bei dem Versuch, die Nato zur Weltpolizei zu machen, „keine Gemeinsamkeiten in der deutschen Außenpolitik gibt“, lautet Lafontaines Ratschlag. Oder ist es eine Warnung vor groß-koalitionärer Kompromißfreude? Mit seiner Wortmeldung jedenfalls hat sich der bislang stets Scharping-loyale Lafontaine erstmals von seinem Parteichef abgesetzt. Matthias Geis