: Das offizielle Eingeständnis der Kriegsschuld
■ Japan legt erstmals ein verstecktes Entschädigungsprogramm für Kriegsopfer auf
Wer sich vor den Neujahrstagen in Tokio mit den erschöpften Abgeordneten des „Regierungskommitees für die Vorbereitung des 50. Gedenktages des Kriegsende“ zusammensetzte, um dabei auch noch Details über Japans neue Vergangenheitspolitik zu erfahren, verblüffte die Gesprächspartner. Soviel Interesse hätten sie nicht erwartet. Schließlich seien doch auch in Europa Ferien! Ein Parlamentarier verriet sogar, wer eigentlich an der ganzen Debatte über die Vergangenheit in Japan Schuld sei: Morihiro Hosokawa nämlich, der zurückgetretene Premierminister, der bei seiner Amtsübernahme im letzten Jahr als erster japanischer Regierungschef behauptet habe, Japan habe während der dreißiger und vierziger Jahre einen aggressiven und ungerechten Krieg geführt. Dahinter könne nun leider auch die neue Regierung nicht mehr zurückgehen. Deshalb also der ganze Aufwand, mit Ausgaben von etwa 130 Millionen Mark eine sogenannte „Initiative für Frieden, Freundschaft und Austausch“ in die Welt zu setzen. Dafür waren die Komiteemitglieder nun die Buhmänner im Parlament. Wahrscheinlich hatten sie sich vorher nur allzugut ausgerechnet, daß sie der Vergangenheitsjob eines Tages im Wahlkreis Stimmen kosten könnte. Aber vielleicht kommt auch alles noch anders: Immerhin glaubten in diesem Sommer nach einer Umfrage der Tageszeitung Asahi 72 Prozent der Japaner, daß ihr Land für die Entschädigung der asiatischen Kriegsopfer nicht genug getan habe. Und obwohl die Tokioter Regierung nun kein wirkliches Entschädigungsprogramm vorlegt, weil sie damit den pazifischen Friedensvertrag von San Francisco (1952) und bilaterale Abkommen mit Südkorea und China sprengen würde, tut sie doch etwas Ähnliches. Jedenfalls etwas, das die japanische Kriegsschuld deutlicher als zuvor eingesteht.
Nahezu alle Programme im Rahmen der Initiative zum 50. Jahrestag des Kriegsendes, für die nunmehr im Entwurf des Staatsbudgets für 1995 feste Summen vorgesehen sind, berühren ehemalige Tabuthemen. So werden für fast jedes Land, gegen das Japan im Zweiten Weltkrieg Krieg führte, bedeutende Summen für eine gemeinsame Geschichtsforschung zur Verfügung gestellt. Dies könnte einmal zur besseren Abstimmung der Schulgeschichtsbücher mit Japan führen. Das gilt vor allem für China, Südkorea, Taiwan, Holland und England.
Erstmals wird Japan Unterstützungsgelder für die im Kalten Krieg auf Sachalin verbliebenen Koreaner zahlen, welche die japanische Armee einst als Zwangsarbeiter verschleppt hatte. Bisher zahlte die japanische Regierung diesen Koreanern nur den Rückflug in die Heimat, jetzt sollen Unterhaltszahlungen dazukommen. Umstritten bleiben Maßnahmen für die sogenannten „Gefälligkeitsdamen“ aus Korea und anderen Ländern, die von der japanischen Armee im Krieg zur Prostitution gezwungen wurden. Aufgrund der Entschädigungsforderungen der Betroffenen werden die japanische Gerichte bereits von einer Prozeßwelle überschwemmt. Nun will die japanische Regierung Ausbildungs- und Förderungsprogramme für „Frauen in Asien“ auflegen, die auch die Klägerinnen erreichen sollen. Wie das geschehen soll, ist fraglich, weil die Betroffenen auf offiziellen Entschädigungszahlungen bestehen, die Tokio in keinem Fall leisten will.
Weiter ist als neue Einrichtung ein Dokumentationszentrum für asiatische Geschichte in Tokio vorgesehen, das erstmals eine systematische Forschung über den Zweiten Weltkrieg aufbauen soll. Noch vor zwei Jahren hatte die japanische Regierung die Rolle der „Gefälligkeitsdamen“ schlicht geleugnet.
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