Freudenböller in Sarajevo

■ Viermonatiger Waffenstillstand in Kraft getreten / Friedenslösung bleibt ungewiß

Sarajevo/Berlin (AFP/dpa/taz) – Mit Gewehrsalven und Mörserfeuer ging das Jahr in Sarajevo zu Ende. Soldaten feierten in der bosnischen Hauptstadt ein Waffenstillstandsabkommen, das am Neujahrstag am Mittag in Kraft trat. Nur wenige Stunden vor dem Ende der kurz vor Weihnachten vereinbarten siebentägigen Feuerpause unterzeichneten Präsident Alija Izetbegović und Serbenführer Radovan Karadžić am Samstag eine Waffenruhe, die vier Monate dauern soll.

Das Abkommen sieht eine Truppenentflechtung sowie die Stationierung von Blauhelmen zwischen den Frontlinien vor. Die schwere Artillerie soll abgezogen und die Straße nach Sarajevo sowie der Flughafen der Stadt geöffnet werden. Die Kriegsparteien verpflichten sich, den Blauhelmen der Unprofor sowie den Mitarbeitern des Flüchtlingshochkommissariats der UNO und anderer internationaler Organisationen volle Bewegungsfreiheit im ganzen Land zu gewähren. Weitere Punkte des Abkommens betreffen den Austausch von Kriegsgefangenen sowie die Kooperation bei der Trinkwasser- und Stromversorgung. Außerdem versprechen die Vertragsparteien die volle und sofortige Einhaltung aller bereits bestehenden, aber immer wieder gebrochenen Abkommen. Weithin herrscht nun Optimismus. Der UN-Sonderbeauftragte Yasushi Akashi hofft, ein neues Kapitel sei aufgeschlagen, Karadžić spricht gar vom Auftakt zum Kriegsende, und der bosnische Vizepräsident Ejup Ganić sieht immerhin einen Ausgangspunkt für Verhandlungen. Einer politischen Lösung ist man allerdings um kein Jota näher gekommen. Den Friedensplan der sogenannten Kontaktgruppe lehnt die serbische Seite weiterhin ab, während seine Annahme von der bosnischen Regierung zur Voraussetzung weiterer Verhandlungen gemacht wird. Doch rechnet Akashi nun in jedem Fall mit weiteren Friedensgesprächen noch vor Ende der dritten Januarwoche.

In Sarajevo wurde die Waffenruhe zunächst respektiert. Auch in Bihać soll sich die Lage beruhigt haben. Doch sind die kroatischen Serben, die vor der Stadt stehen, am Waffenstillstandsabkommen nicht beteiligt. Und auch der muslimische Geschäftsmann Fikret Abdić, dessen Privatarmee die bosnischen Regierungstruppen bei Bihać bedrängt, hat nur mündlich zugesagt, die Kämpfe einzustellen. thos

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