Superspinner von der Spree

■ Der Verein "ÖkÜ-Berg Berlin" will die "erste Öko-Republik der Welt" gründen / GeldgeberInnen dieses Projekts wird die "sichere Lagerung" ihrer Gene angeboten

Wer möchte sich gerne – nach dem Vorbild der Dinosaurier in Jurassic Park – nach dem Ableben aus seiner eigenen DNS rekonstruieren lassen? Derjenige muß nur dem Verein „ÖkÜ-Berg Berlin- Marienfelde e.V.“ beitreten und einen „Überlebensschutzbrief“ unterschreiben. Die Kleinigkeit kostet ihn gerade mal drei Prozent seines Bruttoeinkommens.

Was wie eine Satire klingt, ist seitens der VereinsgründerInnen – ein Schlosser, ein Werkzeugmacher und ein Tierzüchter als Vorständler sowie zwei Hausfrauen als Kassiererin und Schriftführerin – absolut ernst gemeint. Unklar bleibt bloß, ob die ÖkÜ-Leute – ÖkÜ steht für „Ökologisch Überleben“ – in ihrer übersprudelnden Phantasie nur grenzenlos naiv sind oder in betrügerischer Absicht ihrerseits auf grenzenlos naive GeldgeberInnen hoffen.

Denn die DNS-Bank ist nur eines der dicken Eier, mit der der 1992 gegründete Fünf-Personen- Verein in einer hübschen Farbbroschüre wirbt. Ihr Titel: „Phantasie und Wirklichkeit: Die Saurier. Jetzt kommen sie im ÖkÜ-Ei!“

Gleich zu Beginn überraschen die ÖkÜ-GründerInnen mit der Nachricht, daß heutzutage nicht etwa die zahlreichen Umweltkatastrophen lebensgefährlich seien, sondern „die tägliche Informationsflut“ darüber. Denn „viele Menschen verfallen in Depression“, und Depression schwäche die Immunabwehr. Komplexaufklärung über diese Zusammenhänge sei nötig, und die könne in neuen „Erlebnis-Öko-Zentren“ geleistet werden. Idealer Ort dafür seien leerstehende Objekte wie die ehemaligen US-Radaranlagen auf dem Teufelsberg und einem anderen Hügel in Marienfelde (daher der Name „ÖkÜ-Berg“) sowie der (asbestverseuchte) Palast der Republik.

In diesen anheimelnden Gebäuden sollen nach den Vorstellungen des Vereins lauter neue touristische Superattraktionen Platz finden, die den Wegfall der Mauer und der Olympischen Spiele im Jahr 2000 für Berlin spielend kompensieren könnten: eine „ständige Öko-Messe“, das „erste Überlebensschutzmuseum der Welt“, das „erste Antikriegsmuseum der Welt“ sowie „die erste ÖkÜ-Republik der Welt der Kinder Berlin- Brandenburgs“.

Die Idee von der Kinderrepublik ist dabei nicht unsympathisch. Dafür solle ein eigener Kinderverein gegründet werden – die „Ökofreaks Berlin-Brandenburg“ –, heißt es in einem internen Nutzungskonzept für den Marienfelder Radarberg.

Die Republik soll geradezu rätedemokratisch aufgebaut werden: Alle Schulklassen als Grundeinheit wählen einen „Ökorat“ ihrer Schule, die Ökoräte wählen das Parlament der Republik; Erwachsene haben nur Beraterstatus. Auch soll dort eine eigene Währung aus Porzellan eingeführt werden, der „ÖkÜ“, ähnlich klingend wie die neue EU-Währung Ecu. Mit der Kinderrepublik könnten Hunderte von Arbeitsplätzen in Gewerbebetrieben geschaffen werden, verspricht der Verein weiter. Zum Beispiel durch das Schneidern „hübscher Dienstkleidung“ im „Försterlook“ für „eine Million Ökofreaks“. Nicht im grünen, sondern im goldenen Gewande präsentiert sich dafür werbend der „Schirmherr der ÖkÜ-Republik“ in der Vereinsbroschüre: der schwarze „König von Hohoe“ – ein Gebiet in Ghana –, der in Deutschland eine Autowerkstatt sein eigen nennt.

„Wir wollen die Kinder von der Straße holen“, begründete der stellvertretende Vereinsvorsitzende Günther Senst gegenüber der taz die angestrebte Republikgründung. Allerdings, so gab er zu, seien die Objekte Teufelsberg und Marienfelde „kostenmäßig schon ausgeschieden“. Aber vielleicht finde man ja noch Förderer für eine neue Idee: Auf dem Radarberg in Marienfelde könnte ein riesiger Parkplatz „mit Paternoster“ entstehen. Dort könnten die Menschen dann ihr Fahrzeug abstellen und mit einem Elektroauto in die City fahren, so der Werkzeugmacher. Im übrigen verwies er auf den Geschäftsführer des Vereins, der jedoch für die taz nicht zu erreichen war.

Träger des neuen Vorhabens soll die „ÖMAP Ökomobil Ausleih- und Parkgesellschaft“ werden – eine im Handelsregister völlig unbekannte Firma. Der Verein verkauft in ihrem Namen aber schon „ÖkÜ-Aktien“, deren Wert sich auf himmlische Weise steigert: „Kaufpreis 10 DM, Wert 30 DM“, heißt es auf der Aktie mit angeheftetem Überweisungsauftrag an den Verein. Für einen von der taz konsultierten Rechtsanwalt ist die Sache klar: „Wenn eine nichtexistierende Nicht-Aktien-Gesellschaft Aktien ausgibt, ist das Betrug.“ Ute Scheub