It's illegal! Bei Sprayers ins Fotoalbum geschaut

Am Anfang subkultureller Betätigungen steht meist eine geschlossene Szene mit ähnlichem Stil und Lebensgefühl und genauen Vorstellungen davon, was gegen den gemeinsamen Code verstößt. Solche Codes halten jedoch immer nur begrenzt: Irgendwann ergibt sich die Möglichkeit, mit dem vormals Exklusiven zu ein bißchen bürgerlicher Anerkennung, vielleicht auch ein bißchen Geld zu gelangen, und manche ergreifen sie, manche nicht.

Auch die deutsche Graffiti-Szene hat sich längst gespalten: Den Sprühdosenkünstlern, die in Galerien ausstellen oder nach Auftrag Brandmauern verzieren, stehen die Writer gegenüber, die nach altem Brauch nachts Züge bomben (besprühen), über die ganze Stadt ihre tags (Signaturen) verteilen und die Mauern auch mal ohne Auftrag mit fetten Lettern bedecken.

Das Buch Graffiti Art Deutschland Germany (Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin, 145 Seiten, 39,50 Mark) dokumentiert beide Pole der Szene, legt den Schwerpunkt jedoch klar auf die Nachtschwärmer der alten Schule, deren Tätigkeit durch Illegalität gewürzt wird.

Erstaunlich, wie tief die Herausgeber in die aus Angst vor Entdeckung ihres kriminellen Tuns doch äußerst verschlossene Szene eindringen konnten: Writer zeigen ihre Skizzenbücher, steuern Fotos aus der eigenen Sammlung bei (ansonsten hätte das reich bebilderte Buch wohl nicht zustande kommen können) und erzählen von ihren Techniken, ihren Vorbildern (auch hier gibt es natürlich veritable Szene-Legenden) und ihrer Motivation: „Es gibt mir auch eine Befriedigung, den ganzen Bank-Arschkriechern Millionen an Schäden zuzufügen“, sagt zum Beispiel Snek aus Frankfurt.

So entsteht das umfassende Bild einer Kunst, deren beste Stücke man so gut wie nie zu sehen kriegt, weil diese whole cars – oder wie auch immer sie in der Sprache der Abstellgleise heißen – natürlich zuerst den Putzkolonnen zum Opfer fallen.

Johannes Waechter