Programm mit Pfiff und Paprika

■ Wie ein süditalienischer Kleinsender die Konkurrenz aussticht. Gespräch mit Domenico Notarangelo, Chefredakteur von Teleradio Matera, über ungewöhnliche Sendeformen

Domenico Notarangelo, 60, Chefredakteur, hat den süditalienischen Provinzsender Teleradio Matera (TRM) mitbegründet.

taz: Ein Provinzsender, der höhere Einschaltquoten bringt als die große Konkurrenz – wie macht man das?

Notarangelo: Wir wollen nicht übertreiben. Natürlich stechen uns Raiuno oder Berlusconis Kette bei weitem aus, wenn die ein Fußballänderspiel übertragen oder nationale Politmatadore bringen. Aber untertags und oft auch, wenn die anderen quälende Wiederholungen und Einheitsbrei bringen, sind wir vornedran.

Eben, und wie geht das?

Mit Schnelligkeit, Phantasie und viel Freude bei der Arbeit. Wir haben hier eine Crew, die wirklich Spaß an der Sache hat, und die ihren Ehrgeiz dareinsetzen, schneller und aktueller und pfiffiger zu sein als die anderen. Wir machen das so: Wenn ein Ereignis ansteht, filmen wir, und kaum ist die Veranstaltung aus, senden wir auch schon die Kassetten, ungeschnitten und oft mit einigen Würmern drin, aber immer nur sehr knapp hinter dem Ereignis her. Untertags haben wir Sendungen für diejenigen, die Zeit haben zuzugucken – Hausfrauen am Herd, Rentner, Kinder, aber nicht diese blöden Werbesendungen und Kochrezepte, sondern Erfahrungsaustausch von Leuten, die von ihrem Wohnzimmer aus berichten, was sie tun und erleben, die raten können.

Wie steht's mit Politik? Keine Einflüsse von dort, von der Kirche, den Gewerkschaften, den Unternehmern?

Natürlich – als Versuche. Ging denen aber immer daneben. Wir haben da ein probates System: Wer was zu sagen hat, kann's bei uns sagen. Wem was nicht paßt, auch. Als sich zum Beispiel nach einem Streik ein Gewerkschafter beschwerte, daß er nicht zu einer Gesprächsrunde eingeladen war – wir laden niemals jemanden persönlich ein, sondern geben einen oder zwei Tage vorher das Thema bekannt, und wer kommen will, kann kommen – habe ich ihn sofort ins Studio gesetzt, die laufende Sendung, einen Spielfilm unterbrochen, angesagt, daß da der unzufriedene Funktionär Soundso nun das Seinige sagen wird: und siehe da, nach zwei Minuten, die er rumgestottert hat, ist er verwirrt wieder abgezogen. Dasselbe habe ich mit einem Bischof gemacht – auch der war schnell am Ende. Man muß die Leute nur reden lassen, dann merken die Zuschauer schnell, ob die was zu sagen haben oder nicht. Durch die improvisierten Einschübe, die ja nicht angesagt sind, von denen ich aber tagtäglich ein Dutzend bringe, bleiben die Zuschauer auf Welle, sie wollen ja nicht versäumen, wenn sich einer, den sie kennen, blamiert.

Lokalsender haben früher vor allem mit Mitternachtssex Zuschauer geködert. Ihr auch?

Ja, mit einem herrlichen Kleiderpoker: Da saß eine Schöne im Studio, die Zuschauer konnten anrufen und Fragen stellen, die dann von anderen Zuschauern beantwortet werden sollten. Der Beantworter konnte dabei aber festlegen, ob die Dame ein Stück aus- oder wieder eines anziehen sollte. Und da haben dann auch die Prüden eingeschaltet – um zu vermeiden, daß sich die Frau ganz auszieht. Interview: Werner Raith