An die Wäsche

„Sage mir, wer bei dir zu Hause wäscht, und ich sage dir...“ Ja, was? Wer wir sind, nach der bedeutenden familiären Revolution im letzten Viertel dieses ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts. Das Gleichheitspostulat der Geschlechter auf den Lippen – doch in den Alltagsgesten, im Leben der Beziehung das feine Gespinst eines vorindustriellen Gewebes, in dem die Frau Hand über die Wäsche hält und der Mann dies dankbar (hin)nimmt. Zwei Jahre, zwanzig Paare, mehr als zwanzig Geschichten: der französische Soziologe Jean- Claude Kaufmann hat junge und alte (Ehe)Paare danach befragt, wer sich in ihrer Beziehung um die schmutzige Wäsche kümmere. Herausgekommen ist eines der unterhaltsamsten und lehrreichsten Bücher über die „Konstruktion von Alltag“. Warum gerade die Wäsche das zentrale Konstituens von Paarbildung ist und nicht etwa das Putzen, das Geld oder der Einkauf? „Sagt mir, wo ihr wascht, und ich sage euch, ob ihr ein Paar seid.“ Die Jugend, im Protest zum Elternhaus, zögert die „Haushaltsintegration“ hinaus. Man liebt Ecken und Säcke als Möbelstücke, lebt zusammen als „Quasi-Paar“ mit Distanz, ohne Verpflichtung, Struktur. Man wäscht woanders. Paarbildung wird zum langsamen Prozeß, zur „Ehe nach Maß“, man wächst ins Beziehungskostüm. Die Anschaffung der Waschmaschine, die Entdeckung, „daß man die Wäsche zusammenlegen kann“, wird zum symbolischen Gründungsakt, „so als ob man das Feuer entdeckt hätte“.

Man erfindet seine Rolle neu, Mann und Frau konvergieren, oszillieren zwischen Individuum und Paar. Und doch: Die einfachen Dinge bleiben kompliziert. Kaufmanns These, es gebe keine strikte Gleichheit, mag widersprochen werden. Die meisten werden jedoch zustimmen, daß die Zeit der Doppelung, des „jeder macht alles“, selbst in größeren Beziehungseinheiten wie WGs, nicht lange hielt. Also geht es um „vernünftige Ungleichheit“. Doch auch sie, eine Gratwanderung. Sobald Kinder da sind, schnappt dann „die Falle“ endgültig zu. Die Frau weiß, was sie tut, sie kann es dennoch nicht lassen – und wäscht. Der Mann grinst schuldig. „Die Niederlage ist um so offensichtlicher, je größer der Wille nach Veränderung einmal gewesen ist.“ Ist die Verinnerlichung der Geschlechterrollen also unser Fluch?

Man mag Kaufmanns Ergebnisse nicht teilen. Doch das Buch, das von einer ungewöhnlichen (soziologischen) Liebe zum Detail und zum Individuum lebt, ist eine wahre Lust. Wir wissen nicht, wie und wo Herr Kaufmann wäscht, aber seine Freundin/ Frau hat sicher viel zu lachen! Andrea Seibel

Jean-Claude Kaufmann, „Schmutzige Wäsche. Zur ehelichen Konstruktion von Alltag“. Aus dem Französischen von Andreas Gipper und Mechthild Rahner. Universitätsverlag Konstanz 1994, 326 Seiten, 38 DM