Umweltbackstein für Stadtplaner

■ Stadtentwicklungssenator Hassemer präsentiert heute den zweiten Band des Umweltatlas mit den Schwerpunkten Luft und Klima / Grüne Lunge für die Stadtbewohner wird weiter angegriffen

Daß die Berliner Luft, Luft, Luft von einem ganz besonderen Aroma ist, weiß man nicht erst seit jenem bekannnten Lied. In kaum einer anderen deutschen Großstadt verpesten Stickoxide, Staub, Ruß und Schwefelemissionen die Luft so sehr wie in Berlin. Zunehmender Autoverkehr und kohlebefeuerte Heizungsanlagen, saurer Regen und Ozongase treiben den Berlinern im Sommer die Tränen in die Augen und im Winter die Lungen aus dem Hals. Der Duft, Duft, Duft ist ganz schön ätzend.

Der Umweltatlas Band zwei mit den Schwerpunkten „Luft und Klima“, der heute von Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer vorgestellt wird, kommt zum Teil zu einer anderen Einschätzung der Lage: Die lufthygienische Situation Berlins, ist dort auf großen Karten nachzulesen, zeige insgesamt eine „günstige Entwicklung“. Die „klassischen Luftschadstoffe“ wie Schwefeldioxid und Staub seien in den vergangenen Jahren stark vermindert worden. Die Emissionen, vorwiegend durch Kohle und Heizöl verursacht, konnten durch den Einbau von Filteranlagen oder die Aufgabe von alten Verbrennungstechniken auf die Hälfte bis ein Drittel der zulässsigen Grenzwerte zurückgefahren werden.

Also ist der ganze Dreck nur Einbildung fundamentalistischer Luftreinheitsfanatiker? Keineswegs. Die klassischen Luftschadstoffe, so das dicke Nachschlagewerk, werden heute durch neue, aggressive Substanzen ersetzt. Stickoxide und Ozon, das sich aus Stick- und Kohlenwasserstoffen des Autoverkehrs und der Kraftwerke bildet, überschreiten die zulässigen Leitwerte in den Straßenschluchten und den grünen Außenbereichen der Stadt. Fazit: Das ständig steigende Autoaufkommen hat die erträumte Wirkung des Drei-Wege-Kat fast zunichte gemacht. Die Lebensbereiche und grünen Ressourcen der Bewohner werden weiter angegriffen. Hierauf, betonte Hassemer unlängst auf einer Konferenz zu den Perspektiven des klimaorientierten Städtebaus, müßte der Umweltschutz in der Zukunft die Schwerpunkte setzen. Mögliche politische Konsequenzen fordert der dicke Umweltbackstein nicht ein. Immerhin bietet sein zweites Kapitel („Klima“) Perspektiven einer klimaorientierten, ressourcenschonenden räumlichen Planung, die für Berlin lebenswichtig werden könnte. Angesichts der hauptstädtischen Bauentwicklung, so die Klima-Analyse auf sieben Satellitenkarten, drohen die frischen Winde und kühleren Temperaturen aus den innerstädtischen Zonen ganz verdrängt zu werden. Die Ursache besteht in der Bebauung und Untertunnelung der durch die Mauerzeit entstandenen Freiflächen an den Stadträndern, aber auch im Zentrum Berlins. Das Stadtklima, so der Atlas, würde dadurch insgesamt verändert.

So bleibt dem Umweltatlas die Chance, energie- und flächensparendes Bauen anzuregen, um die Klimapotentiale zu erhalten – ein fast aussichtloses Unterfangen, etwa angesichts der Tunnelplanung im Tiergarten. Er könnte den öffentlichen und privaten Planern ein Standardwerk sein, die Klimaaspekte zu berücksichtigen. Das wird kaum ausreichen. Rolf Lautenschläger