Verwesung garantiert

■ Von Mumien, Wachsleichen und belüfteten Grabkammern / Belüftete Grabkammern sollen der Verwesung nachhelfen

Berlin (taz) – Man trägt seine Tante zu Grabe. Sagen wir, in Baden-Baden. Die Grube ist ausgeschachtet, der Sarg sinkt hinab, plötzlich klemmt's. Bleich wird die Nase der Sargträger: Da liegt schon einer. Weiß und wächsern. Zombie? Untoter? „Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, kommen die Toten auf die Erde zurück“, prophezeit ein Horrorspezialist. Wohnen deshalb so viele Millionäre in Baden-Baden?

Man soll ja gut leben in der Kurstadt, aber besser nicht sterben. Denn dann erschreckt man Friedhofsgärtner und Trauergemeinden als Wachsleiche. Nichts von Asche zu Asche und Staub zu Staub. Im wäßrigen Grund des Hauptfriedhofs wollen und wollen die Toten nicht verwesen. Fünfzehn Jahre ruht ein zur ewigen Ruhe Gebetteter – so ist es gesetzlich vorgeschrieben. Dann sind seine sterblichen Überreste meist bis auf wenige Kleinigkeiten vergangen, und ein neuer Kandidat fährt in die Grube. Doch in Baden-Baden helfen auch vierzig Ruhejahre nicht. Ein delikates Problem.

Mit diesem schlagen sich noch zahlreiche andere Gemeinden in Baden-Württemberg herum. Alte Friedhöfe werden nicht mehr belegt, weil die Böden völlig überfettet oder übersäuert sind. Zu nasse Erde produziert Wachsleichen, zu trockener Boden Mumien. Die alten Ägypter haben dafür ausgefeilteste Techniken angewandt, aber die Baden-Württemberger würden auf die konservierten Verwandten lieber verzichten. „Weil die beigesetzten Vorfahren die Gegenwart überdauern“, berichtet ein Friedhofsgutachter, „sind vertrocknete Mumien und Wachsleichen für viele Friedhofsträger zum Alptraum geworden.“

Doch Hilfe ist in Aussicht. Ein schwäbischer Tüftler hat eine neue Art der Erdbestattung erfunden. Belüftete Grabkammern. Verwesung garantiert. Die Sargwannen werden in die Erde eingelassen und sollen – ökologisch angeblich einwandfrei – das endgültige Hinwegscheiden innerhalb von fünfzehn Jahren sichern. Günter Ackermann, Erfinder und Produzent, ist überzeugt: „Die Zukunft vieler Friedhöfe liegt in diesem Kammersystem.“ Das Stuttgarter Umweltministerium bestätigt, daß die Grabkammern „Schutz gegen Grundwasserverunreinigungen“ bieten. Und der baden-württembergische Städtetag hat ihren Einbau bei „Problemböden“ ausdrücklich empfohlen.

Baden-Baden hat bereits mit 224 Grabkammern angefangen. Friede den Lebenden. Bascha Mika