1995 keine Volksabstimmung mehr

■ Volker Kähne, Chef der Senatskanzlei, zur Länderfusion: Verhandlungen nicht festgefahren / Berlin möchte zeitlichen Abstand zwischen Wahlen und Volksabstimmung / Kein neues Kraftwerk für Lausitzer...

taz: Die Brandenburger SPD und CDU formulieren neue Bedingungen, Vereinbarungen zur Regionalplanung werden in Potsdam nicht unterzeichnet. Sind die Verhandlungen zur Länderfusion endgültig festgefahren?

Volker Kähne: Ich teile nicht die Auffassung, daß hier etwas festgefahren sei. Ich habe eher den Eindruck, daß vor der Schlußrunde der Verhandlungen beide Seiten noch einmal versuchen, ihre Positionen ganz deutlich zu machen.

Aber auch von Berliner Seite ist von K.-o.-Forderungen aus Brandenburg die Rede.

Die Beratungsphase der Parlamente ist weder in Berlin noch in Brandenburg abgeschlossen. Ich rechne aber damit, daß die Ratifizierung in den Parlamenten im Frühsommer dieses Jahres erfolgen wird. Zu den sogenannten K.-o.-Forderungen: Wir werden unter keinen Umständen eine Verkürzung der Übergangsfrist im innerstaatlichen Finanzausgleich akzeptieren. Im Gegenteil. Wir legen Wert darauf, daß auch für die Zukunft die weitere finanzielle Ausstattung Berlins geregelt wird entsprechend den Aufgaben, die Berlin für das gesamte Land mit wahrnimmt. Auch eine Obergrenze der Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst von 160.000 lehnen wir ab. Wir werden uns auf keine Forderung einlassen, nach der wir gezwungen wären, fusionsbedingte Kündigungen vorzunehmen.

Bei dieser Obergrenze müßte Berlin 30.000 Stellen abbauen.

Das ist für Berlin nicht akzeptabel. Wir wollen gegenwärtig schon 25.000 Stellen im öffentlichen Dienst abbauen, was schwer genug ist. Aber wir können nicht hergehen und anschließend weitere 30.000 Bedienstete abbauen.

Selbstverständlich wird es bei der Zusammenführung der Ministerialbürokratie zu Einsparungen kommen. So werden wir beispielsweise nur eine Staatskanzlei haben oder nur ein Finanzministerium. Ein Personalabbau muß vorgenommen werden, aber nicht, wie es die brandenburgische Forderung vorsieht, bis zur Fusion 1999.

Zum Fusionieren braucht man aber die Brandenburger. Wie und wo muß Berlin auf die Brandenburger zugehen?

Es gibt eine Grundangst vieler Brandenburger Bürger, daß in Zukunft der Moloch Berlin die Geschicke des Gesamtlandes bestimmen wird. Richtig ist, daß in einem gemeinsamen Landtag die Abgeordneten aus Berlin die Mehrheit stellen werden. Aber ich halte die Befürchtung einer Dominanz der Berliner Abgeordneten für völlig verfehlt, weil in keinem Parlament nach einer ländlichen Zugehörigkeit abgestimmt wird. Im bayerischen Landtag stimmen ja auch nicht die fränkischen gegen die oberbayeri-

schen

Abgeordneten. Da wird doch auch immer nach Parteizugehörigkeit entschieden.

Also keine Schutzklausel für Brandenburger?

Nein. Wir haben ja bestimmte Klauseln zum Schutz der Brandenburger eingebaut. Beispielsweise wurde vereinbart, daß ein paritätisch zusammengesetzter Ausschuß den Verfassungsentwurf erarbeitet.

Der Fusions-Zeitplan ist bereits durcheinandergekommen. Wenn erst im Frühsommer in den Parlamenten entschieden werden soll, dann wird es 1995 keine Volksabstimmung mehr geben.

Wir werden voraussichtlich 1995 auf die Durchführung der Volksabstimmung verzichten müssen. Wir kämen da vom Zeitablauf zu nahe an die Berliner Wahlen heran, und wir möchten diese Koppelung vermeiden. Wahl und Länderfusion sind zwei völlig unterschiedliche Themen.

Eine Verschiebung in die nächste Wahlperiode setzt die

Realisierungschancen der Fusion weiter herab, weil es dann möglicherweise einen anderen Senat gibt.

Die höchste Hürde in der Fusionsfrage ist die Entscheidung in beiden Parlamenten, besonders wegen der Zweidrittelmehrheiten, die dort erforderlich sind. Wenn beide Parlamente der Länderehe zugestimmt haben, findet sich sicher auch eine Mehrheit in der Bevölkerung.

Dies setzt aber voraus, daß man mit der Bevölkerung offen über die Vorteile der Fusion redet. Das ist bisher nicht geschehen.

Da haben Sie recht. Jetzt sind wir dran, den Dialog mit der Bevölkerung aufzunehmen. Wir arbeiten an einem Öffentlichkeitsarbeitskonzept. Wir werden damit im Februar beginnen.

Ist das mit Brandenburg abgestimmt?

Ja. Es gibt sicher Modifizierungen, weil die Zielgruppe in Brandenburg eine andere ist als in Berlin. Es ist aber zeitlich und in wesentlichen Punkten auch inhaltlich miteinander abgestimmt.

Ei-

nige

Rich-

tungsentscheidungen konterkarieren die Fusionsbemühungen. Brandenburg koppelt sich beispielsweise fest an die Westdeutsche Landesbank, Berlin arbeitet mit der Norddeutschen Landesbank zusammen.

Die Berliner Bindung an die Norddeutsche Landesbank steht nach unserer Auffassung nicht im Widerspruch zu Vereinbarungen im Entwurf des Staatsvertrages mit Brandenburg. Wir werden darüber sicher noch einmal sprechen, aber ich denke, daß dies kein Punkt ist, der zu einem völligen Aufbrechen der bisher getroffenen Finanzvereinbarungen führen wird.

Das Interesse der Westdeutschen Landesbank, hier tätig zu werden, ist ja zu begrüßen. Aber als Land Berlin haben wir eigene Interessen. Wenn wir hier schon mit der Berliner Landesbank die sechstgrößte deutsche Bank haben, dann muß diese Bank auch als eine originäre Bankgesellschaft in Berlin die entsprechende Unterstützung finden.

Das führt aber trotzdem zu Irritationen, offenbar auch beim Regierenden Bürgermeister.

Allgemein ist ja hier der Eindruck entstanden, daß sich die WestLB sehr intensiv im Raum Brandenburg betätigt. Das kann aber nicht so weit gehen, daß wichtige Wirtschaftsentscheidungen für das Land an Schreibtischen getroffen werden, die in Düsseldorf stehen. Wir müssen unsere Interessen mit eigenen Banken hier vor Ort durchsetzen.

Die brandenburgische CDU fordert als Fusionsbedingung die Verwendung von Lausitzer Kohle in Berlin.

Das ist ein sehr verständliches Bemühen. Wir sind auch schon mit der Bewag im Gespräch. Es findet hier ja schon eine Verstromung von Braunkohle statt. Ausgeschlossen ist, daß wir in Berlin zusätzliche Braunkohlekraftwerke errichten. Vorstellbar ist aber, daß die Verstromung der Braunkohle in der Lausitz geschieht und Berlin zu einem namhaften Abnehmer wird.

Interview: Gerd Nowakowski