FrauenMediaTurm

■ betr.: „Wer den Turm hat, hat die Macht“, taz vom 17.12.94, LeserIn nenbriefe dazu, taz vom 2.1.95

Machtkämpfe und interne Querelen beim Spiegel, innerbetriebliche Mißstände bei „Schlecker“, in Konzernen, Banken, Bildungseinrichtungen und anderen Institutionen von öffentlichem Interesse werden – mit Recht – in den Medien diskutiert. Warum reagiert Alice Schwarzer demgegenüber so empfindlich auf Kritik (zum Beispiel mit Hausverboten oder juristischen Unterlassungsklagen)? Schon 1980, als 32 ehemalige Emma-Mitarbeiterinnen mit ihrer Darstellung interner Konflikte an die Öffentlichkeit gingen, bezeichnete Alice Schwarzer die Art der Veröffentlichung als „fast ... faschistoid“. Jetzt spricht Cornelia Filter, eine Emma-Mitarbeiterin, von der „Vernichtung“ von Alice Schwarzer.

Ein derartig leichtfertiger Umgang mit Faschismus-Assoziationen soll offenbar Kritik im Keim ersticken. Dabei ist Kritik so weit von Vernichtung entfernt wie Demokratie von Faschismus. Bedenklicher ist da schon eine Rhetorik, die nur FreundInnen und FeindInnen kennt. Jede, die es wagt, auf Mißstände öffentlich aufmerksam zu machen (weil erfahrungsgemäß interne Kritik, sei sie noch so begründet, stets abgeschmettert wird), wird als Verräterin abgestempelt, als Denunziantin, als Handlangerin des Patriarchats oder schlimmeres.

In der Rhetorik der LeserbriefschreiberInnen steht Alice Schwarzer immer noch als Opfer und Märtyrerin da. Kein Gedanke daran, daß auch Opfer zu TäterInnen werden können. Kein Interesse an den Gründen, warum eine komplette Belegschaft das Archiv kurz nach der Veröffentlichung verläßt. Wenn Mitarbeiterinnen „keine Möglichkeit der Zusammenarbeit mit Alice Schwarzer mehr sehen“, muß das schon einiges heißen in Zeiten der Arbeitslosigkeit wie heute. Warum macht das die LeserInnen nicht hellhörig?

[...] Es muß erlaubt sein, Machtmißbrauch, gegen den der Feminismus angetreten ist, in Frage zu stellen. Macht konstruktiv im Sinne von Frauen und des Feminismus einzusetzen ist eine Sache, sie für persönliche Interessen zu mißbrauchen und gegen andere Frauen, gegen Mitarbeiterinnen zu wenden, die mit Idealismus angetreten sind und die theoretischen Ziele von Alice Schwarzer teilen, ist eine andere. In diesem Fall steht die Glaubwürdigkeit des Feminismus von Frau Schwarzer zur Disposition. Warum sollte an Alice Schwarzers Führungsstil, Personalpolitik, an „ihren“ Institutionsstrukturen etc. nicht kritisiert werden dürfen, was bei anderen Personen des öffentlichen Lebens völlig legitim ist? Gerlinde Volland,

ehemalige Mitarbeiterin des

FrauenMediaTurmes, Köln