Wenn Waschmaschinen Akten fressen

■ Bremer DVU zockte jahrelang Steuermittel für private Zwecke ab oder verschob sie zu ihrem Vorsitzenden Frey

Bremen (taz) – Die Quittung kam dem Bremer Landesrechnungshof komisch vor. Da hatte der Bürgerschaftsabgeordnete Peter Nennstiel einen „gebrauchten Aktenvernichter Marke Blomberg“ gekauft für 500 Mark, bezahlt aus den öffentlichen Zuschüssen für Parlamentarier. Bremens oberste RechnungsprüferInnen fragten bei der Lieferfirma an, und siehe da, die führte nur Küchen- und Haushaltsgeräte. Was ein Aktenvernichter sein sollte entpuppte sich als Waschmaschine.

Der Fall Nennstiel ist nur der humoristische Höhepunkt einer neuen Welle von Enthüllungen am ganz rechten Rand der Bremer Politik. Wieder einmal machen DVU und Co. Furore mit Meldungen über verschobene Steuermittel. Und dabei geht es nicht um Kleckerbeträge. 950.000 Mark strich die DVU seit ihrem Einzug ins Bremer Parlament bis zum Januar 1993 ein. Mehr als 250.000 Mark will das Parlament nun zurückhaben.

Nennstiel ist einer von drei DVU-Dissidenten, die sich im Januar 1993 in der „National-Konservativen Gruppe“ zusammenschlossen. Seither ist die erste DVU-Fraktion in einem bundesrepublikanischen Parlament keine Fraktion mehr. Nach Meinung der Buchprüfer vom Landesrechnungshof ist Nennstiel ein kleiner Fisch, aber ein besonders dreister. 31.000 Mark kann er überhaupt nicht belegen, für weitere Tausende hat er verblüffende Einkäufe getätigt. Was die neue Frisur oder die Brille seiner Frau, Damenoberbekleidung oder ein Sonnenschirm mit der parlamentarischen Arbeit zu tun haben, das konnte Nennstiel dem Rechnungshof nicht erklären.

Die großen Beträge, die den Prüfern des Landesrechnungshofes die Haare zu Berge steigen ließen, flossen direkt in die Kassen des rechten Zeitungsmoguls und DVU-Chefs Gerhard Frey in München. Der Trick: Die Bremer DVU-Abgeordneten kauften Tausende von Frey-Zeitungen auf, verteilten sie und nannten das Ganze Öffentlichkeitsarbeit. 28.000 Exemplare der Deutschen Wochenzeitung orderte die Fraktion und verschickte sie an SympathisantInnen. Fünfmal gingen außerdem je 10.800 weitere Exemplare auf Kosten der Bürgerschafts-DVU in Druck und wurden von München aus verschickt. Auf diese Weise flossen insgesamt 140.000 Mark direkt an den Verlag und in die Taschen des Parteichefs.

Doch damit nicht genug. Mit dem Einzug der DVU in die Bremer Bürgerschaft wurde ein Geschäftsführer eingestellt, und zwar zu einem Jahresgehalt von rund 100.000 Mark. Das ist üblich. Unüblich ist allerdings, daß der Mann im fernen München wohnt und in Bremen bestenfalls zu den Parlamentssitzungen auftaucht. Die Flugkosten wurden aus dem Steuersäckel beglichen.

Unüblich auch die Arbeitsleistung des Geschäftsführers, nach der der Landesrechnungshof vergeblich suchte. Kein Wunder, denn Sven Eggers ist eher ein Nebenerwerbsgeschäftsführer. In der Hauptsache ist er Chefredakteur der Deutschen Wochenzeitung und zeichnet für die Leserbriefe in der National Zeitung verantwortlich. Das Fazit des Landesrechnungshofs: Die DVU soll nun 70 Prozent seines Gehalts zurückzahlen. Nachdem der Rechnungshof Alarm geschlagen hatte, hat die Bürgerschaft nun alle Zuschüsse an die DVU eingefroren. Es lohnt sich halt doch nicht, Waschmaschinen als Aktenvernichter auszugeben. Jochen Grabler