Anonymität, Parteilichkeit, unbürokratische Hilfe

■ Krisenzentrum für vergewaltigte Frauen eröffnet / Zweite Einrichtung dieser Art in der Bundesrepublik / Vierundzwanzigstündiges Betreuungsangebot

Umfassende und schnelle Hilfe rund um die Uhr finden Frauen und Mädchen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind, seit Anfang der Woche in dem Krisen- und Beratungszentrum LARA. Frauensenatorin Christine Bergmann (SPD) und Margret Tönnessen, Geschäftsleiterin bei LARA, stellten gestern die Arbeit des Projekts vor.

Wichtigste Neuerung: Frauen werden rund um die Uhr beraten und finden umfassende Unterstützung unter einem Dach. Bislang gab es in Berlin außer dem nur stundenweise besetzten „Notruf für vergewaltigte Frauen“ keine Einrichtung, die sich ausschließlich mit sexueller Gewalt gegen Frauen beschäftigt. Dadurch seien hilfesuchende Frauen in Beratungsstellen häufig nur an andere Adressen weiterverwiesen worden.

Bereitschaftsdienst rund um die Uhr

In dem neuen Frauenkrisenzentrum arbeiten bis 23.00 Uhr vier Sozialpädagoginnen und Psychologinnen, die Erfahrungen aus feministischen Projekten mitbringen, im Schichtdienst. Nachts wird durch Honorarkräfte ein Bereitschaftsdienst ermöglicht. 450.000 Mark stehen dem vom Senat für Frauen und Arbeit finanzierten Projekt in diesem Jahr zur Verfügung. Man wünsche sich zwar eine multikulturelle Arbeit, um damit den Verhältnissen in Berlin gerecht zu werden, so Tönnessen. Eine türkische Psychologin habe man aber bis jetzt noch nicht anstellen können.

Neben Beratungen, kurzfristigen Übernachtungsmöglichkeiten und Begleitung bei der Anzeigeerstattung, bei Prozessen und medizinischen Untersuchungen soll die Öffentlichkeitsarbeit einen weiteren Schwerpunkt bilden.

„Die sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen nimmt zu“, so Christine Bergmann. 1993 seien 543 Vergewaltigungen angezeigt worden. Die Dunkelziffer werde jedoch auf das 30- bis 40fache geschätzt, so Bergmann.Deshalb müsse der Prävention besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Tabuisierung, Verharmlosung und Vorurteile gegenüber den Opfern sollten durch Aufklärungsarbeit abgebaut werdene. Die gezielte Dokumentation der Projektarbeit durch zwei Wissenschaftlerinnen solle hierzu beigetragen.

Bei der Konzeption von LARA stand die 1991 gegründete Freiburger Anlaufstelle für vergewaltigte Frauen in der Uniklinik Pate. „Anonymität, Parteilichkeit und unbürokratische Hilfe“ nennt Tönnessen als grundlegende Prinzipien ihrer Arbeit. Um die Anonymität zu sichern, habe man sich aber gegen die Angliederung an eine Klinik entschieden. An der Entwicklung des Berliner Konzepts waren neben Frauenbeauftragten, Senatsvertreterinnen und Frauenprojekten auch Polizei und Justiz beteiligt. Gesa Schulz

LARA, Krisen- und Beratungszentrum für vergewaltigte Frauen, Tempelhofer Ufer 14,Tel: 216 88 88