Geständnis auf dem Prüfstand

■ Solinger Mordprozeß: Rätselhaftes Aussageverhalten des geständigen Angeklagten/BGH-Ermittlungsrichter als Zeuge

Düsseldorf (taz) – Im Düsseldorfer Prozeß um den mörderischen Solinger Brandanschlag wird viel gelogen. Immer wieder kommt es zu sich gegenseitig ausschließenden Aussagen – bei Zeugen wie Angeklagten. Von den vier angeklagten jungen Männern hat einer eine Mittäterschaft gestanden: Markus Gartmann. Kreidebleich, zuweilen nach Worten ringend, so schilderte der 23jährige gleich zum Prozeßauftakt die Stationen jener verhängnisvollen Brandnacht. War dieses Geständnis falsch? Ja, er belastet sich und uns zu Unrecht, lautet die Version von zwei der vier Angeklagten seit ihrer Verhaftung. Immer und immer wieder sind sie dabeigeblieben – auch während der zum Teil äußerst aggressiven und bedrohlichen Polizeivernehmungen. Nur bei Markus Gartmann und dem vierten Angeklagten, Christian R., ging es drunter und drüber. Während R. immer neue Geschichten auftischte, folgte dem Geständnis von Gartmann erst der Wideruf, dann der Widerruf des Widerrufs. Auch gestern antwortete G. auf die erneute Frage des Senatsvorsitzenden, Wolfgang Steffen, ob sein Geständnis der Wahrheit entspreche, mit einem eindeutigen „Ja“.

Zweifel an diesem Geständnis plagen auch Silvia Gartmann, eine Schwägerin des Angeklagten. Daß ihr Schwager jetzt so stur an dem Geständnis festhält, erklärt sich die Zeugin mit dem Einfluß des Verteidigers Benecken. Der habe bei einem Gespräch in der JVA-Wuppertal in ihrem Beisein Gartmann unter Druck gesetzt: „Wenn du jetzt widerrufst, bekommst du lebenslänglich“.

Geständnis-Wechselbäder mit Erinnerungslücken

Gartmann konnte sich gestern an diesen Satz zwar „nicht erinnern“, aber es „kann sicherlich sein, daß das Wort lebenslänglich gefallen ist“. Die Verteidigungsstrategie Beneckens zielt in der Tat darauf ab, für seinen Mandanten eine Strafmilderung zu erreichen. Einen Freispruch hält er vor allem wegen dessen Verhalten bei der ersten richterlichen Vernehmung am Bundesgerichtshof für unerreichbar.

Zu den näheren Umständen dieser Vernehmung hörte das Düsseldorfer Gericht gestern den BGH-Ermittlungsrichter Dietrich Beyer. Nachdem Gartmann tags zuvor bei der Polizei gestanden hatte, vernahm Beyer den Beschuldigten am 4. Juni 1993 in Karlsruhe. Gleich zu Beginn verlangte Gartmann einen Anwalt. Auf Anraten von Beyer kam der Karlsruher Rechtsanwalt Linke ins Spiel. Bevor die eigentliche Vernehmung begann, sprachen beide längere Zeit unter vier Augen. Danach wiederholte Gartmann sein polizeiliches Geständnis gegenüber dem Richter. Am Ende, so Beyer gestern im Gericht, „habe ich ihn noch einmal ermahnt, nur die Wahrheit zu sagen und sich nicht aus Geltungssucht falsch zu belasten“.

Daraufhin bat Gartmann um eine Unterbrechung. 10 Minuten später widerrief er sein Geständnis. Doch nun glaubte Beyer ihm nicht, denn der Widerruf schien ihm „nicht einleuchtend“, „nicht glaubwürdig begründet“. Drei Tage später folgte der neuerliche Widerruf bei der Polizei und am 9. Juni gestand Gartmann auch wieder gegenüber Beyer. Diese Wechselbäder erklärt Gartmann heute so: „Ich habe es einfach mal versucht, aus der Sache wieder rauszukommen“. Walter Jakobs