Südafrikas Friedensarchitekt ist tot

Joe Slovo, einst Führer der Kommunistischen Partei, Erfinder der Machtteilung zwischen Schwarz und Weiß in Südafrika und zuletzt Wohnungsbauminister unter Mandela, ist gestorben  ■ Von Willi Germund

Johannesburg (taz) – Von Krankheit abgemagert und gezeichnet, erklärte der 68jährige Joe Slovo erst vor ein paar Wochen gegenüber der südafrikanischen Wochenzeitung Weekly Mail: „Was kann ich sagen: Ich habe Krebs und ich bin ein Mensch.“ Ein seltener Augenblick, in dem hinter der Maske des unermüdlich für die Sache kämpfenden Aktivisten die sensible Psyche eines Mannes durchblitzte, der sein ganzes Leben dem Kampf gegen Südafrikas Apartheid gewidmet hatte. An seinem Krebsleiden ist Slovo gestern früh gestorben.

Schon als er im Mai das Amt des Wohnungsbauministers der ersten demokratisch gewählten Regierung am Kap übernahm, wußte das lebenslange Mitglied der Kommunistischen Partei Südafrikas, daß er an Knochenmarkkrebs litt. Um so mehr mobilisierte er seine Energie, die schließlich für den wichtigsten Erfolg der neuen Regierung von Nelson Mandela sorgte: Er rang Südafrikas Privatbanken das Zugeständnis ab, Kredite in Höhe von 500 Millionen Dollar zum Häuserbau und Hauskauf auch dann zu geben, wenn die Interessenten keine Sicherheiten bieten könnten. Der Staat würde die Garantien übernehmen. Tausende von Schwarzen haben von dieser Vereinbarung bereits profitiert. Trotzdem fand Joe Slovo Zeit, sich im vergangenen August einen lebenslangen Herzenswusch zu erfüllen: Er reiste nach Italien, um die Kulturdenkmäler des Landes zu besichtigen. Es sollte die letzte Reise eines unsteten Lebens werden.

Der am 23. Mai 1926 in eine jüdische Familie in Litauen geborene Slovo wanderte im Alter von neun Jahren mit seinen Eltern nach Südafrika aus. Die Familie lebte in Armut, im Alter von 17 Jahren schloß sich Joe der Kommunistischen Partei Südafrikas an. Nach seinem Militärdienst während des Zweiten Weltkriegs absolvierte er eine Ausbildung zum Rechtsanwalt – ein Training, daß ihm 1956 zugute kam, als er mit Nelson Mandela und anderen Größen des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) vor Gericht gestellt wurde. Nelson Mandela höchstpersönlich rekrutierte Slovo auch als eines der ersten Mitglieder von Umkhonto we Sizwe (MK), dem „Speer der Nation“, wie der bewaffnete Flügel des ANC getauft wurde. Slovo stieg später zum Generalstabschef der Gruppierung auf.

1963, nach dem Sharpeville- Massaker und kurz vor dem Hochverratsprozeß, der Mandela ins Gefängnis brachte, floh Slovo aus Südafrika, ließ sich in der Sowjetunion militärisch ausbilden und kehrte erst 1990 aus dem Exil zurück. Schon bei der Verkündung der „Freedom Charter“, über Jahrzehnte das Grundsatzprogramm des ANC, im Jahr 1954 hatte Slovo aus der Distanz zuschauen müssen, weil von der Regierung seine Bewegungsfreiheit eingeschränkt worden war.

Als Weißer galt ihm die besondere Wut des Apartheid-Regimes in Südafrika. Slovo stellte sich auf die Seite der „schwarzen Gefahr“ und wurde als Kommunist auch zum Inbegriff der „roten Gefahr“, die das im konservativen Kalvinismus erstarrte Apartheid-Regime nahezu überall wähnte. Slovos erste Frau Ruth fiel diesem Fanatismus bei einem Bombenanschlag eines südafrikanischen Sonderkommandos im Jahr 1982 im Nachbarland Mosambik zum Opfer.

Schon sie hatte bei ihrem Ehemann die ersten Zweifel an der sozialistischen Doktrin Moskauer Prägung geweckt. Trotzdem tauchte Slovo bei allen denkwürdigen Veranstaltungen des Ostblocks auf. Aber bei seinem letzten Interview in der Weekly Mail setzte er sich deutlich von dieser Vergangenheit ab: „Es ist schaurig, zu sehen, wie uns bei unseren Besuchen eine andere Welt vorgegaukelt wurde – eine Welt, an die wir geglaubt haben.“

Viele – überwiegend weiße – Südafrikaner nahmen ihm diese Wende bis zuletzt nicht ab. Schließlich blieb Slovo bis zu seinem Tod der Kommunistischen Partei Südafrikas verbunden. Aber 1989 leitete er mit dem Dokument „Hat der Sozialismus versagt?“ die Kehrtwende der südafrikanischen Linken ein, die in eine frühere Anerkennung der Mehrparteiendemokratie und schließlich in die Abkehr vom bewaffneten Kampf mündete.

Auf Slovo geht auch die Erfindung jener Machtteilungsstruktur zurück, die nach der Legalisierung des ANC 1990 die festgefahrenen Verhandlungen zwischen Mandela und De Klerk voranbrachte und letztendlich Südafrika den friedlichen Übergang zur Demokratie ermöglicht hat. Mit Slovo stirbt, wie Mandela gestern sagte, „ein großer südafrikanischer Patriot“. Im Fernsehen sagte Slovo bereits im November: „Ich werde mit Befriedigung sterben. Ich war an allen Phasen unseres Kampfes beteiligt – am passiven Widerstand, am bewaffneten Kampf, am Verhandlungsprozeß und jetzt an der Regierung. Was kann man mehr aus seinem Leben machen?“