Deutsche Hilfsgüter für Tschetschenien

■ Ob die Lieferungen ankommen, hängt vom guten Willen der Russen ab

Berlin (taz) – Am Montag werden Lkws des Deutschen Roten Kreuzes erste Hilfslieferungen in das Kriegsgebiet nach Tschetschenien bringen. Andere Organisationen werden folgen. Der Arbeiter- Samariter-Bund, Cap Anamur, Ärzte ohne Grenzen und die Deutsche Stiftung für UN-Flüchtlingshilfe kündigten baldige Einsätze an. Der Krieg gegen Tschetschenien hat nach Einschätzung des Arbeiter-Samariter-Bundes an die 320.000 Menschen zu Flüchtlingen gemacht. 200.000 befänden sich auf dem Gebiet Tschetscheniens, 80.000 flohen in die nördlich gelegene Republik Inguschien, 40.000 in die östlichen Republik Dagestan.

Die Informationen der Lage vor Ort sind ungenau. Ob die Hilfe bei den Flüchtlingen ankommt, hängt von dem guten Willen der Truppenkommandierenden vor Ort ab. Einzig das Deutsche Rote Kreuz hat die Erlaubnis, die Hilfsgüter direkt nach Tschetschenien zu bringen, da seine Laster unter der Fahne des IRK fahren. Es ist auch die einzige Hilfsorganisation, die die russische Zusage hat, die Hilfsgüter selbst verteilen zu dürfen. Die Hilfsgüter wie etwa Plastikplanen zur Abdeckung von Dächern, Winterbekleidung und warme Decken werden zunächst in das Basislager des IKRK in Naltschik in der Region Kabardino-Balkarien gebracht und von dort aus nach Tschetschenien transportiert.

Ob die Lkws nach Tschetschenien durchkommen, hängt im Einzelfall von den Truppen vor Ort ab. Finanziert wird die Aktion durch den Arbeitsstab humanitäre Hilfe des Außenministeriums und aus Spendengeldern.

Die Organisation Cap Anamur will 40 Tonnen Medikamente und Lebensmittel in die Nachbarrepubliken Tschetscheniens fliegen. Einen Antrag auf Finanzierung des Transportfliegers lehnte des Auswärtige Amt ab. Das Grundproblem für die Organisation ist jedoch nicht finanzieller Art, sondern daß sie die Güter nicht selbst verteilen kann. „Die russische Seite hat uns angeboten, die Hilfe in Mozdok, einem Luftwaffenstützpunkt in Nord Ossetiens, abzuliefern. Cap Anamur hat aber keine Zusicherung, daß die Hilfe nicht die russische Armee ernährt.“ Bis zur geforderten Zusicherung bleiben die 40 Tonnen in Deutschland liegen.

In welchem Umfang und mit welchem Erfolg auch zukünftig Hilfe geleistet werden kann, wird nicht nur von der Hilfsbereitschaft der Organisationen abhängen. Nicht zuletzt wird die Haltung der Bundesregierung und der OSZE gegenüber Rußland eine entscheidende Rolle spielen. Kerstin Schweizer

UNHCR wartet auf Startsignal

Der Einsatz des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) für durch den Krieg vertriebene Tschetschenen verzögert sich. Bereits am Mittwoch vergangener Woche hatte die Regierung Rußlands ein offizielles Ersuchen an das UNHCR-Verbindungsbüro in Moskau gerichtet. Seit der Autorisierung eines UNHCR-Einsatzes durch UNO-Generalsekretär Butros Ghali einen Tag später steht in Genf ein dreiköpfiges Vorausteam abflugbereit, das die Einzelheiten der Hilfe vor Ort klären soll, darunter die Landeorte für die Transportflugzeuge, die das UNHCR bereits in Amsterdam und Ankara gechartert hat.

Bis gestern konnte die russische UNO-Botschaft in Genf den drei UNHCR-Experten keine Visa erteilen. Ein UNHCR-Team, das aus Moskau nach Tschetschenien fliegen soll, wartete gestern ebenfalls noch auf Reisegenehmigungen der russischen Behörden. Andreas Zumach/Genf