Nachschlag

■ Ein Spätnachmittag im Haus der Kulturen der Welt

Neulich stand ein Reisebus mit Bundeswehrsoldaten vorm Eingang des HdKdW, des wohl einzigen Berliner Gebäudes, das abgekürzt eine Mischung aus Kunsthochschule und Warenhaus ergibt. Muß nicht leicht sein, in Uniform durch unsere Stadt zu schlendern, an Ausgemusterten aus der ehemaligen BRD vorbei, die einen doof finden. „Letztens in Hannover bekam ich in der Fußgängerzone zweimal Arschloch und einmal Faschist gesagt, nur weil ich meine Uniform anhatte.“ Hinter dem Bundeswehrfahrzeug ein Bus mit Alliiertenresten aus Karlsruhe. „What do you say for Feldwebel?“ Zuerst meint man noch, die gemischte Blauhelm-Truppe wolle geschlossen in Wulf Göbels halbprivate „Bananenrepublik“ einmarschieren, bevor sie Schwenk marsch machen zum Reichstag.

Auch beim Betreten des HdKdW ist die Atmosphäre irgendwie verändert. Die Bonner sind endlich da, und sicherlich wird nächstens Reporter Ulli Zelle seine Plastik-Kunstlederjacke ausziehen, sich auf die transportablen B1-Pappbuchstaben aufstützen und uns „live“ erzählen, wie „toll“ es in der ehemaligen Kongreßhalle zugeht. Immerhin wurde hier mitten im Kalten Krieg ein SFB-Reporter von einem Betonteil erschlagen. An den erinnert eine Bronzetafel am Eingang – eines der wenigen unumstrittenen Mahnmale unserer Stadt.

Der Umzug beginnt! „Bonn“ ist in eine erfreulich nüchtern gehaltene schwarz-rot-goldene Mobilbude nah des Eingangs eingezogen, hinter dem Tresen steht gelangweilt eine Frau. Der „Besucherdienst der Bundesregierung“ hat außerdem einige Container im Garten besetzt. Nachbarin Anna Jacobi, Pressefrau des HdKdW, „freut sich über die neuen Bewohner“. Wer beschwert sich schon über die Familie des Vermieters, die Eigenbedarf angemeldet hat und plötzlich im Dachgeschoß über einem rumpoltert. Familie Bund ist ja eigentlich auch sehr bescheiden. Noch hat man das HdKdW nicht rausgeworfen. „Haus der Kulturen der Welt steht auf der Straße“ – diese Schlagzeile kann sich Bonn in den Zeiten von „Intoleranz und Haß“ wahrhaft nicht leisten.

Im Souterrain der „schwangeren Auster“ (Ulli Zelle) hängen große Schwarzweißfotos vom ausgebombten Reichstag. Eine Schulklasse wird von einer lieb lächelnden Bonnerin informiert. Darüber, in der ehemaligen Garderobe, hält „Sandra's Banana Café“ lauen „Transfair-Kaffee“ bereit („die Maschine wird noch mal ausgetauscht“). Man ißt sehr „leckere“ (Harry Wijnfoort) „Tahin-Miso-Tofu-Creme“. Deren Zusammensetzung steht auf der Bananencafé-Rezeptkarte, gesponsert von Marlboro: 1/2 Tasse Tahin (Sesammus), 3 Eßl. Miso, 2 Tassen Tofu, etwas Petersilie und 1/3 Wasser zu einer Creme verarbeiten und 2 Scheiben Pumpernickel damit bestreichen. Mit Alfalfa-Sprossen dekorieren! Als der Hausfotograf Aufnahmen von der schwarzhaarigen Sandra in ihrem Café machen will, geht sie schnell nach hinten, kommt mit blonder Lockenperücke und schwarzer Sonnenbrille zurück: „Ich bin abergläubisch.“ Breit lächelnd beißt sie in eine Banane, und es blitzt. Andreas Becker