Snuser-Bevormundung

■ Kautabak-süchtige FinnInnen müssen ihre Droge bald in Heimarbeit zusammenkochen

Helsinki (taz) – Die FinnInnen sind sauer. Kaum hat der EU-Beitritt das Problem der Alkoholversorgung entspannt – die Quoten für die legale Einfuhr sind kräftig erhöht worden –, droht eine neue Gefahr: Ab dem 1. März wird in Finnland der Verkauf von Snus- Tabak verboten sein. Der feingehackte, gewürzte und gefeuchtete Tabak wird als kleines Bällchen zwischen Gaumen und Lippe geklemmt, wo er bis zu einer Stunde lang sein Nikotin direkt an die Mundschleimhäute abgibt. Eine Dose konsumiert der Nikotinabhängige so am Tag, alle Finnen zusammen jährlich etwa 100 Tonnen. Mit Hamsterkäufen wollen viele das drohende Versorgungsproblem lösen. Kioskbesitzer Reinhold Klang, der selbst seit 20 Jahren snust, muß in diesen Tagen manchem Kunden zwei Plastiktüten vollpacken: „Die kommen dann zu Hause in den Tiefkühlschrank. Dort kann man den Snus nahezu unbegrenzt frischhalten.“

Doch Vorratshaltung hilft nicht auf Dauer. „Viele Freunde in Schweden, die Päckchen schicken“, vermutet Klang, sind eine Möglichkeit der snusenden Zukunft. Viele aber machen sich vorsorglich schon mit den Geheimnissen der Snusproduktion vertraut. Denn um die „Bevormundung aus Helsinki und Brüssel“ zu umgehen, bedarf es nur einiger Kochkünste. Verboten wird zwar der Verkauf von fertigem Snus, nicht aber der seiner Bestandteile. Diese Gesetzeslücke, die viele SchwedInnen und FinnInnen schon seit langem zu Do-it-yourself-WinzerInnen gemacht hat, wird auch beim Snus die letzte Rettung sein. Die ersten Rezepte sind bereits erschienen, und wer nicht selbst experimentieren will, wird bald aus dem Versandhandel fertiggemischte Snus-Pakete beziehen können. Der vorbehandelte Tabak muß mit Kräutern, Salz und kochendem Wasser vermischt werden. Danach kommt allerdings eine Prozedur, die den MitbewohnerInnen eines Snusers äußerste Toleranz abverlangt: Fünf Tage lang muß das braune Gemisch im Backofen bei konstant 60 Grad Wärme vor sich hin reifen.

Heftig beklagt sich auch Henrik LeBell über das Snus-Verbot. Er ist Direktor von „Rettigs“, der einzigen finnischen Snus-Fabrik. Die Firma hofft, durch Exporte nach Schweden zu überleben. „In Päckchen und Einkaufstüten wird dann das meiste wieder hier landen“, vermutet LeBell. „Ist das nicht unsinnig?“ Reinhard Wolff