■ Mit Schwedens Verbrauchern auf du und du
: Allergie gegen Europa

Stockholm (taz) – Ein historisches Datum, auch für Schwedens AllergikerInnen: Seit dem 1. Januar 1995 ist das Land in der EU und mußte die eigenen, vorbildlichen Regeln zur Kennzeichnung von Lebensmitteln „anpassen“, besser gesagt: verschlechtern. SchwedInnen, die allergisch auf Eier oder Milch reagieren, werden in Zukunft ratlos im Supermarkt stehen, weil die Produkte nur noch ungenau gekennzeichnet sind.

Bisher galt in Schweden, daß ein Bestandteil eines Nahrungsmittels dann in allen Einzelheiten aufgelistet werden muß, wenn die Fünf-Prozent-Grenze überschritten wird. Wenn zum Beispiel ein Kartoffelsalat mehr als fünf Prozent Mayonnaise enthielt, mußten sämtliche Stoffe der Mayonnaise angegeben werden – also Fett, Eier, Milch und anderes. Doch diese verbraucherfreundliche Fünfprozentregel ist nun abgeschafft; es gilt jetzt die 25-Prozent-Grenze der EU: Wenn weniger als ein Viertel Mayonnaise im Kartoffelsalat ist, genügt jetzt auch in Schweden der Aufdruck: Enthält Mayo.

Die schwedische Lebensmittelbehörde hofft nun, in der EU „irgendwann“ strengere Regeln durchzusetzen, vor allem aber eine lückenlose Deklarationspflicht für Eier und Milch. „Lebensmittelallergien sind ja nicht nur ein schwedisches Problem“, so Jan Movitz von der Lebensmittelbehörde, „und bei immer mehr Menschen können wenige Milligramm eines Stoffes schwere allergische Reaktionen auslösen.“ In Schweden leiden bereits zwei Prozent der Bevölkerung an Lebensmittelallergien.

Und auch für Sven Normalverbraucher macht die EU das Einkaufen schwieriger. Das Herstellungs- und Verpackungsdatum muß nicht mehr angegeben werden; nur das Verfallsdatum wird von der EU verlangt. Wo ein Produkt hergestellt wurde, darf ebenfalls verschwiegen werden; es reicht der Name des Importeurs. Und auf Käse, Schokolade, alkoholhaltigen Getränken und generell auf Verpackungen, die eine kleinere Seitenabmessung als zehn Quadratzentimeter haben, muß gar nicht mehr draufstehen, was drin ist.

Daß die schwedischen Gesundheitsbehörden das Jahr 1995 ausgerechnet zum „Allergiejahr“ ausgerufen haben, wirkt nun wie eine zynische Prophezeiung. Reinhard Wolff