Wer den Pfeffer wachsen hört

■ Mit dem Klangkünstler Rolf Julius unterwegs zwischen Bürgerweide und Brasilien/ Heute Eröffnung der klingenden Ausstellung im Neuen Museum Weserburg

„Also, ich kann das jetzt nicht vorsingen...“ Julius zuckt verhalten mit den Brauen. Nein, wie der „Klangbogen“ klingt, wenn er denn im Herbst fertig ist, das könne er wirklich noch nicht sagen. Überhaupt nimmt ihn der ganze Rumor wunder, den es in Bremen um seine geplante Klanginstallation gibt: Rund 320 Lautsprecher, eingebaut in die Laternenpfähle des neuen Bremer Padardepfades, eine leise Komposition aussendend... „Es geht doch nur um die Luft zwischen den Pfählen“, und wie man sie in sanfte Bewegung versetzt – mehr nicht. Luft und leises Klingen: Mehr braucht Julius nicht, und so sind alle seine Werke.

Pompöse Auftritte sind seine Sache nicht. Selbst das Wort „Minimalismus“ spricht er nicht aus, das überläßt er den Vernissagerednern und Katalogautoren. Mit einem einzigen, zagen Ton habe sein Wandel vom Foto- zum Raumklangkünstler begonnen, sagt er. Eine Eisenstange, deren metallische Vibration er auf einem Cassettenrecorder notierte, so Mitte der 70er Jahre. Einmal kopiert, schon ergab sich ein neuer, fremder Klang. „Und so weiter“, Julius macht eine lakonische Rotationsbewegung mit der Künstlerhand.

Manchmal ist noch dieser eine Ton, auf den Julius manche seiner Klangskulpturen baut, nur schwer zu hören. Droben im 1. Stock der Weserburg spitzen die Presseleute die Ohren und verkneifen die Augen. „Gehen Sie nur nahe ran“; Direktor Deecke schaltet drakonisch den säuselnden Elektroluftbefeuchtungskasten ab. Na? Na? „Ach, villeicht muß man's gar nicht hören“, sagt Julius milde im Weitergehen. „Hauptsache, man sieht, es bewegt sich was auf den Lautsprechern“,

Und siehe, da drüben hat sich schon wieder was bewegt! Vibriert der Rost auf den Stahlplatten, unter denen Julius seine Kleinstlautsprecher verborgen hat? Waren es die Steine, die verschmitzt in der Ecke lungern? Hüpft der Pfeffer in der Schale? „Ein scharfer Klang“, sagt Julius leise – Zikadenzirpen, aus Brasilien importiert. Dort sei der Klang so klar, so transparent. Keine Spur von der „akustischen Umweltverschutzung“ unserer Breiten. Aus Japan nahm er Gebirgsbachflüstern mit, in seinem kleinen DAT-Recorder. Ein Cello in Berlin lieh ihm einen endlos schönen Baßton. Nun spukt der Baß im Bremer Museum, aus dicken, von der Decke schaukelnden Lautsprechern; die Zikaden sirren derweil am Boden herum und füllen die Luft. „Besser als die Natur kann man sowieso nicht komponieren.“

Was aber mit dem akustischen Naturgewimmel passiert, wenn es ins Museum versetzt wird, in einen Haufen Steine oder eine Pfefferschale eingebaut – das könne man nicht vorhersehen. „Die Steine da“, Julius deutet auf eine heiter schnarrende Versammlung zu seinen Füßen, „die habe ich aus der Wüste mitbegracht. Aber man kann sie eigentlich überall hinlegen, wo sie sich wohlfühlen.“ Die Klänge müßten sich schon „irgendwie zurechtfinden“. Begriffe wie „konzeptionelle Kunst“ bereiten ihm sichtbar Unbehagen, „das ist doch ein wenig langweilig“. Lieber die Klänge, die großen wie die Kleinen, sich frei entfalten lassen. Eben drängt wieder dieses Gezischel von der Wand in den Raum, „dieser Klang da, dieser schwarze“.

Und so skrupulös, wie Julius stets den Klängen Vortritt läßt vor ausgreifenden Kunstkonzepten, verhält sich der Künstler auch gegenüber seinem Publikum. Wer das Gras wachsen hören kann, der höre. Alle anderen lauschen vielleicht dem Gebläse der Luftbefeuchter. So soll es auch beim „Klangpfad“ sein, dem gefürchteten, soviel rückt Julius dann doch heraus: Möglichst unaufdringlich möge sich seine Komposition mit dem Rauschen rund um die Bürgerweide mischen; ein Jeder habe die Freiheit, „zu hören oder zu überhören“. tom

Julius, Arbeiten aus der Sammlung Finkenburg, bis 19.2. im Neuen Museum Weserburg; Eröffnung heute, 20 Uhr; Performance am 18.2., 17 Uhr