„Die kriegen eine Isomatte und zwei Decken...“

■ Seit Beginn der Kältewelle sind die Notunterkünfte für Obdachlose überfüllt / In der überbelegten Halle nimmt die Aggressivität zu / Ein Interview mit Mitarbeitern

taz: Herr Meier, Sie sind Mitarbeiter der Notübernachtung in der Turnhalle in der Moabiter Turmstraße. Wie ist die Lage?

Wolfgang Meier: Die Notunterkünfte für Obdachlose sind alle voll. Wir haben normalerweise 30 Betten, gestern waren knapp 60 Leute da. Die Situation hat sich deutlich verschärft, seit es so kalt ist, seit Anfang Januar.

Müssen die Menschen gegenwärtig auf dem Boden schlafen?

Die kriegen eine Isomatte und zwei Decken und schlafen auf dem Flur. Das Problem ist, daß auch alle anderen Notübernachtungen in der Stadt voll belegt sind. Die Stadtmission, die Obdachlose mit einem Bus aufsammelt, wenn es kalt ist, bringt die Leute dann zu uns, weil wir niemanden wegschicken.

Wie wirkt sich diese Überbelegung auf das Klima in der Turnhalle aus?

Es kommt zu gesteigerten Aggressivitäten. Da findet eine Art Verteilungskampf statt. Es ist alles enger, der wenige Raum, der dem einzelnen zur Verfügung steht, wird noch mehr beschnitten. Die Leute werden viel aggressiver und ticken schneller aus.

Herr Pfahler, Sie sind Obdachlosenreferent des Diakonischen Werks, das die Notunterkunft in der Turmstraße betreibt. Was müßte passieren?

Hermann Pfahler: Es müßten ganz kurzfristig weitere Notübernachtungsplätze geschaffen werden. Aber es fehlt an geeigneten Räumen. Zu Beginn der Kälteperiode wäre eine Mitgliedsorganisation des Diakonischen Werks gerne bereit gewesen, noch eine Notunterkunft zu betreiben, aber das scheiterte an den fehlenden Räumen. Man braucht Toiletten und eine Möglichkeit, den Leuten ein Essen zuzubereiten. Eine Dusche wäre auch sehr wichtig.

Handelt es sich um einen vorübergehenden Engpaß, oder fehlt es generell an Notunterkünften?

Wir gehen davon aus, daß es wesentlich mehr Obdachlose gibt, als die 10.- bis 13.000, die in Pensionen und Obdachlosenheimen untergebracht sind. Viele Leute sind vorübergehend bei Freunden und Bekannten untergekommen, aber es gibt immer noch viele, die auf Dachböden, in Kellern oder draußen schlafen. Wenn es so kalt wird, wie in den letzten Tagen, sieht man, wie die Leute gesundheitlich abbauen. Tagelang dieser Kälte ausgesetzt zu sein und sich nur ein paar Stunden am Tag aufwärmen zu können, das hält der Körper auf Dauer nicht durch.

Sehen Sie eine Lösung?

Wenn jemand Räume zur Verfügung stellen würde und der Senat die notwendigen Gelder gibt, dann finden sich auch Träger, die das übernehmen. Interview: Dorothee Winden