Hassemer stemmt sich gegen Bau-Babylon

■ Stadtentwicklungssenator zieht Konsequenzen aus Prognos-Gutachten / Prioritäten für Projekte gefordert

Nach Ansicht von Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer übernimmt sich Berlin an seinen zahlreichen Bauvorhaben. Die Mega-Baustellen an der Peripherie der Stadt seien langfristig nicht zu finanzieren. Vom Ergeiz, möglichst viele Planungen gleichzeitig anschieben zu wollen, müsse abgelassen werden.

„Es ist seit langem kein Geheimnis“, erklärte Hassemer gestern, „daß das, was planerisch nun in Berlin möglich ist, bald über die finanzielle Möglichkeit hinausgeht.“ Notwendig sei deshalb, sich auf eine Auswahl der Projekte zu konzentrieren und auf Prioritäten in der Bauentwicklung zu setzen. Hassemer fühlt sich von einem jetzt für seine Behörde fertiggestellten Prognos-Gutachten bestätigt.

Es ist „kein Geheimnis“, daß Hassemers Prioritätenkonzept eine Kritik in Richtung der Bauverwaltung ist. Diese setzt nach wie vor großflächig auf städtebauliche Entwicklungsgebiete wie die Wasserstadt Oberhavel und auf Stadterweiterungen wie in Pankow. Bereits „vor der Verabschiedung des Flächennutzungsplans“, so Hassemer, habe seine Verwaltung nach „Methoden zur Fertigung der Prioritäten“ gesucht. Hassemers Sprecher Dolf Straub erinnerte, daß auch im „Stadtforum“ eine „Bewertungsmatrix“ bezüglich der Standorte diskutiert worden sei. Dabei seien etwa die Wasserstadt und regionale Zentren „ganz hinten“ gelandet. Straub: „Berlin kann das nicht alles gleichzeitig schaffen.“ Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) wollte dazu nicht Stellung nehmen.

Den Hintergrund der Hassemer-Kritik bildet eine von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Auftrag gegebene Studie des Wirtschaftsinstituts „Prognos“. Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, daß die großen städtebaulichen Gebiete für jeweils rund 15.000 Bewohner wie die Wasserstadt Oberhavel oder Adlershof und andere Großbauvorhaben ab 1999 nicht mehr zu finanzieren seien.

Explodierende Investitionskosten, auslaufende Regelungen für Sonderfinanzierungen und Zinszahlungen überstrapazierten dann die Haushaltskasse. Die jährlich veranschlagten sechs Milliarden Mark reichten nicht aus, öffentliche Infrastrukturmaßnahmen, die Altlastensanierung, Verkehrswege und Schulen oder die Grünplanung zu bezahlen. Die Studie empfiehlt, Projekte auszuwählen und sowohl die Realisierung als auch die Finanzplanung längerfristig anzulegen und besser durchzukalkulieren.

Der Senat dürfe insgesamt nicht länger vertuschen, in welche „Finanzkatastrophe er die Stadt manövriert hat“, erklärte die finanzpolitische Sprecherin von Bündnis 90/ Die Grünen, Michaele Schreyer. Weder seien längst geforderte Prioritäten für die Neubauprojekte und städtebaulichen Entwicklungsgebiete umgesetzt noch sei eine transparente Finanzplanung dafür vorgelegt worden. Rolf Lautenschläger