'Bunter Gewaltnachmittag' in Hemelingen

■ Mit Knarre, Pädagogik und Achselzucken gegen die Brutalität an der Schule

Zum Gegenschlag gegen Gewalt holen sie aus, die SchülerInnen des zehnten Jahrgangs des Schulzentrums Drebberstraße. Dabei scheuen sie selbst vor Toten nicht zurück.

Kurz nachdem die SchülerInnen im November das Projekt „Neos und Nazis“ aufgegriffen hatten, hörten sie von dem Wettbewerb, den der Hemelinger Beirat ausgeschrieben hat: „Gewalt an der Schule? Ohne uns“ lautet das Thema, zu dem das Ortsamt Beiträge sammelt und den besten mit 3.000 Mark prämieren will. Anreiz genug, sich die folgenden Wochen mit diesem Thema zu beschäftigen. Gestern präsentierten sie die Ergebnisse: zwei Filme, die 20 SchülerInnen in Kooperation mit dem Lidice Haus und dem Bürgerhaus Hemelingen produziert haben.

Der erste Film zeigt den Schulalltag mit all seinen Haken, Ohrfeigen und Tritten - die übliche kleine miese Tortur, die aus nichtigem Anlaß, manchmal sogar aus purem Jux entsteht und sich zuweilen zu roher Gewalt auswächst. „Sehr realistisch“, befand das Publikum, das überwiegend aus MitschülerInnen, LehrerInnen und SozialarbeiterInnen bestand. „Leicht übertrieben“ fand man dagegen den zweiten Wettbewerbsbeitrag, den vier junge Männer herstellten, und in dem fast ausschließlich junge Männer vorkommen. Diese bekriegen sich, verkaufen Koks auf dem Klo, und erschießen sich schließlich gegenseitig. Blutige Leichen auf dem Asphalt - die jungen Produzenten meinten, ein treffendes Bild gefunden zu haben: „In Dortmund, Frankfurt oder Berlin geht es längst so ab, hier ist die Gewalt nur etwas zurückgeblieben.“

Mit der Knarre gegen Gewalt? „Da war doch gar keine Aussage drin gegen Gewalt, das war doch eher gewaltverherrlichend“, kommentiert später eine Zehnklässlerin das Gesehene. Doch über den Spaß an der Gewalt, über das per Aggression akkumulierte Ansehen, über die per Angstmache gewonnene Autorität wollte so recht niemand sprechen. Im Gegenteil, allesamt waren sie Opfer, auf der moralisch guten Seite also. Und da sollte man, meinen einige, die Angst nicht zeigen, und sich vor allem nicht wehren.

„Ihr wehrt euch nicht, weil ihr schwach seid“, konterte ein Mitschüler. Doch statt hier nach den Inhalten von Stärke und Schwäche, nach gesellschaftlich erwünschten Verhaltensmustern zu fragen, blickte der Schulleiter zurück: „Früher haben wir uns auch gekloppt, aber miteinander....“

Er versteht die jungen Leute ebensowenig wie die Ratlosigkeit signalisierende Klassenlehrerin oder der Mitarbeiter des Lidice Hauses: Ob die SchülerInnen, will dieser wissen, eigentlich die durch Vandalismus entstandenen Beschädigungen am Schulgebäude überhaupt wahrnehmen, und wenn ja, „was macht das mit euch?“ Die Blicke senken sich, verstohlen wird gekichert. Sie sind sich einig: „Die Erwachsenen verstehen uns nicht.“

Zu verschieden die Welten, schon rein sprachlich. Wenn „Rolf“, Sozialarbeiter und Mittvierziger, die Jugendlichen dringend bittet, in sein Freizeitheim zu kommen, wo im Februar „eine Discothekveranstaltung“ stattfinden soll, dann spürt man, da stimmt was nicht. Oder wenn der Lidice-Mitarbeiter die SchülerInnen auffordert, weiterhin am Thema zu bleiben und beispielsweise einen „bunten Gewaltnachmittag“ im Bürgerhaus zu organisieren. Tatsächlich haben die Jugendlichen hier viel Geduld mit den Erwachsenen bewiesen, die ohnehin, was die Gewalt angeht, „oft aus einem Mücken einen Elefanten machen.“ Was bleibt: Gewalt ist und bleibt ein wichtiges Thema und kann kaum mit ein paar Schüssen an einem bunten Vormittag abgetan werden. Dora Hartmann

Der Wettbewerb des Hemelinger Beirates zum Thema „Gewalt an Schulen? Ohne Mich“ läuft bis zum 31. Januar.