Schirm & Chiffre
: In ganz privater Hand

■ Medien in Berlin – heute: der City-Piepser, auch „Pager“ genannt

Heute soll es um einen Kommunikationsapparat gehen, der bisher eher ein Schattendasein geführt hat. Und zwar um den „Piepser“, englisch auch „Pager“ genannt. In den Augen der meisten Zeitgenossen gilt dieser unscheinbare Funkempfänger bestenfalls als telekommunikatives Behelfsgerät: ein Ding, mit dem sich fahrende Rohrreiniger und rasenmähende Hausmeister, die sich kein richtiges Handy leisten können, durchs Arbeitsleben schlagen.

So dachte ich auch. Dann erzählte mir mein Freund F. eine Geschichte, die meine Ansicht grundlegend wandelte. Vor geraumer Zeit, so F., verliebte er sich unsterblich in J. Sie wohnt im Ostteil der Hauptstadt, und die Telekom hat ihre Wohnung trotz vollmundiger (aber eben letztlich doch lügenhafter) Versprechen noch immer nicht ans Telefonnetz angeschlossen. Um die Fernsprechisolation einigermaßen wettzumachen, schaffte sich J. einen „Cityruf“ Pager an. Für eine monatliche Grundgebühr von etwa 400 Mark ist sie damit jetzt überall erreichbar.

Nun, da sich F. und J. kennen und lieben lernten, tauschten sie ihre Nummern aus. Er gab ihr seine Telefonnummer, sie ihm ihre Piepser-Nummer. Und fortan spielte dieses kleine, batteriegespeiste Kästchen eine große Rolle in ihrer Beziehung. Wenn F. seine spontanen Liebesschwüre übermitteln wollte, dann mußte er die City-Ruf-Zentrale (0169 51) in Frankfurt anrufen. Dort hatte er dann eine im Dienste der Telekom stehende Person an der Leitung, der er die Nachricht für J.s Piepser anvertraute.

Gar nicht so einfach. Denn die Mitteilung darf nicht länger als vierzig Zeichen sein. Im Laufe der Zeit wurde F. zu einem wahren Meister der Kurz-Liebesprosa. Als er einmal eine seiner Herzensbotschaften durchgegeben hatte und noch Platz für weitere siebzehn Zeichen war, schlug ihm die auf optimale Kapazitätsausnutzung bedachte Telefonistin vor, noch ein „Dein Schnuckel“ einzufügen. Das habe er jedoch abgelehnt, so F. entrüstet.

Ein andermal kommentierte ein Telekom-Bediensteter F.s detaillierte Schwärmereien mit dem barschen Hinweis, er brauche nicht jedes Komma zu diktieren. F. wagte zu protestieren und sah sich unversehens in eine Diskussion über die Grundlagen der Interpunktion verwickelt – immerhin zum Preis von 23 Pfennig pro 12 Sekunden.

Ganz anders sieht die Sache für J. aus. Wenn eine von F.s Nachrichten auf dem Funkweg bei ihr eintraf, dann fing das Kästchen an zu brummen wie eine dicke Hummel. Auf einer kleinen Anzeigetafel („Display“) konnte J. dann die Liebesschwüre ablesen, um sie anschließend in der nächstgelegenen Telefonzelle auf dem herkömmlichen Fernsprechweg zu beantworten.

Doch das junge Glück währte nicht ewig. Irgendwann bekam J. wider Erwarten doch ein Telefon. Und mit der neuen Kommunikationstechnik erkaltete die Liebe. J. fand F. am Telefon auf einmal langweilig. F. fühlte sich von J. nicht mehr verstanden. Mit Tränen in den Augen kam mein Freund zum Ende der Geschichte. „An uns hat sich McLuhans Satz auf grausamste Weise bewahrheitet“ – sagte er traurig – „,The medium is the message.‘ Ohne Piepser hatten wir uns einfach nichts mehr zu sagen.“

P.S.: Für alle, die noch einmal von vorne anfangen wollen, gibt es seit kurzem den „Scall-Pager“. Abgesehen vom Kaufpreis (200 Mark) kostet das Ding nur noch Geld für die Batterien. Dafür zeigt der Scall-Pager aber auch keine Nachrichten mehr an, sondern nur noch eine Telefonnummer. Um rauszufinden, um wen oder was es geht, ist ein Rückruf fällig. Oder vielleicht besser auch nicht. Martin Muser