Schröder marschiert

■ Steuern für Kohle und Sonnenstrom in Bonn, Zoff um Atomlager zu Hause

Magdeburg/Berlin (taz) – Erneuerbare Energien haben mit „grüner Spinnerei“ nichts zu tun, schrieb Niedersachsens Ministerpräsident gestern im Handelsblatt. Nicht gerade die Hauspostille der SPD, aber Gerhard Schröder denkt am liebsten weit über alle Parteigrenzen hinaus. Auch seine „geliebten Sozialdemokraten“, ließ er am Dienstag abend in Bonn verlauten, sollten mit „realistischen Vorstellungen“ in künftige Verhandlungen über einen neuen Energiekonsens gehen. AKW- Gegner müssen sich in Geduld fassen. Eine erste „kleine Runde“ solcher Energiegespräche soll zwar im März beginnen, aber Parteichef Scharpings Schattenminister hat den Kurs neu festgelegt. Schröder will mit einer allgemeinen Energiesteuer zuerst Arbeitsplätze für Kohlekumpel erhalten und alternative Energietechniken fördern. Die Prioritäten sind eindeutig. Ins Kohlerevier dürfen die Milliarden weiterhin fließen, die bisher mit dem verfassungswidrigen Kohlepfennig bezahlt wurden, lediglich eine halbe Milliarde soll 1996 für erneuerbare Energien aus der neuen Steuer abgezweigt werden. Dieser Anteil soll sich danach erhöhen und nach dem Jahr 2005 wieder auslaufen – ungefähr dann, wenn auch die Atomkraftwerke nach dem Konsenswillen von SPD und Energieunternehmen sehr allmählich vom Netz gehen könnten.

Kaum gesagt, ging der Ärger zu Hause los. Noch im Dezember wollte das Land Niedersachsen einen Entschließungsantrag in den Bundesrat einbringen, wonach die Haushaltstitel für die Atomendlager in Gorleben und Morsleben wegen nachgewiesener Untauglichkeit der Standorte zu streichen seien. Die Umweltministerinnen Heidrun Heidecke (Bündnisgrüne, Sachsen-Anhalt) und Monika Griefahn (SPD, Niedersachsen) vereinbarten, alle Schritte untereinander abzustimmen.

Aber jetzt möchte die rot-grüne Koalition von Sachsen-Anhalt über ihr Atomlager doch lieber selber entscheiden. Niedersachsen wird nur einen Antrag für Gorleben stellen. Denn für Morsleben wäre diese Initiative „unrealistisch“ und würde „das von Sachsen-Anhalt angestrebte Einlagerungs-Moratorium gefährden“, wettert Heidecke. Schröders Landesregierung hatte vergessen, daß in Morsleben bereits tonnenweise hochradiaktiver Abfall liegt. Sachsen-Anhalt ist auf Bonner Gelder angewiesen. „Die Grube droht ohne diese Betriebsmittel abzusaufen“, sagte der Sprecher des Umweltiministeriums, Beck. Außerdem stehe die Finanzierung des eben begonnen Planfeststellungsverfahrens in Frage. Beck: „Wir brauchen Gutachten zur Langzeitsicherheit, die in diesem Rahmen erstellt werden, um etwas gegen das Endlager unternehmen zu können.“ Eberhard Löblich/nh