Voller Emotionen ist die Nacht

Mit Alba Berlin als erstem deutschen Team im Viertelfinale des Korac-Cups will Trainer Pesic rational „einen Schritt nach dem anderen“ tun  ■ Aus Berlin Peter Unfried

Vor dem Fernseher standen, knieten, saßen die Spieler von Alba Berlin und kuckten sich an, was sie just geleistet hatten. Ein Korb von Baeck, „joooh“, ein Dunking von Rödl, „jaaah“: Es war eine Stimmung, wie sie nur aufkommt, wenn alles paßt.

Hat ja auch alles gepaßt: im letzten Gruppenspiel des Korac-Cups Estudiantes Madrid 107:80 geschlagen und doch noch eine Runde weitergekommen, weil zur selben Zeit der souveräne Gruppenerste Pau Orthez brav Birex Verona (62:56) besiegt hatte: „Danke an Frankreich“, rief da der Alba-Kapitän Stephan Baeck etwas großzügig in die Nacht hinaus, und alle im VIP-Raum der Berliner Sömmeringhalle nickten andächtig mit den Köpfen.

War ja auch zu spannend: Im Mittelkreis hatten sich die Alba- Spieler nach getaner Arbeit niedergelassen und mit etwa der Hälfte der 3.500 in der zuvor ausverkauften Halle jener Dinge geharrt, die aus Pau zu kommen hatten Dann, schilderte Baeck noch einmal diese aufreibenden Momente, „haben wir gesehen, wie der Präsi gekommen ist, ganz weiß um den Mund.“ Jener, Präsident Dieter Hauert, konnte allerdings, wie Baeck bemerken mußte, „gar nichts sagen“. Brauchte er auch nicht, sein Fuchteln verriet den Aufgeregten: Sogleich hob an, was der weitgereiste Nationalaufbauer Baeck „nicht nur in Berlin noch nie“ erlebt hatte: Jubel und Trubel ungeahnten Ausmaßes.

In dem allerdings einer fehlte: Svetislav Pesic, Trainer der Erfolgreichen, hatte sich eilig davon geschlichen, weil ihm das Ganze „zu emotional“ geriet. „Es sind noch so viele Spiele“, findet der Serbe nämlich, „und einige werden erst in letzter Sekunde entschieden werden.“ Was der Mann sagen will: Zwar hat der Berliner Basketballverein etwas für ihn und für deutsche Verhältnisse einmaliges erreicht, nämlich das Vordringen ins Viertelfinale des europäischen Wettbewerbs, doch ist die Saison lang und damit gewiß noch nicht beendet. Was aber auch der sonst gar nicht besonders zum Schweigen Neigende zugeben mußte: „Wir wissen nun“, sagt Svetislav Pesic nicht zum ersten Mal, „daß wir mit den Großen in Europa mithalten können.“

Darum geht es. Zunächst. Dafür, das predigt der Trainer den Seinen seit nunmehr fünfzehn Monaten, bedarf es in erster Linie einer starken Verteidigung. Während man zwar vor der Pause gut traf, aber nicht annähernd so gut verteidigte, konnten selbst die international doch nicht erstklassigen Estudiantes mithalten (47:41). Dann aber, nachdem Pesic „eigentlich nur konstruktive Vorschläge gemacht“ hatte, wie sein Kapitän Baeck in der Halbzeit mitbekam, insbesondere jenen, in der Abwehr konzentrierter zu arbeiten, änderte sich alles. Dann nämlich, hatte Pesic weisgesagt, „hat der Gegner keine Chance mehr“. Und? Tatsächlich, so kam es. Nicht, daß Alba tatsächlich abgehoben hätte. Doch während die Studenten varianten- und daher reaktionslos zuschauten, wurde bei Alba nun gearbeitet, aber das auf sehr hohem Niveau. Und für fünf Minuten diese Arbeit tatsächlich so perfektioniert, daß die Zusehenden in den Bann des selten Erlebten gerieten und darum am Ende etwas außer sich.

Das lag insbesondere an Sascha Obradovic, der in jener Phase vierzehn Punkte machte, selbst etwas begeistert von sich wurde und von Pesic darum als „zu emotional“ gerügt ward. Das linke Knie ist noch nicht, wie es sein sollte, es, sagt Pesic, „es geht noch nicht alles, was er machen möchte“. In aller Bescheidenheit: Was geht, ist einiges!

Und was gehen soll, ist klar: 1996 will Alba in der dann startenden Europaliga dabeisein. Sollen zwei deutsche Vereine mitmachen dürfen, braucht man, wie einst bei Hugo-Egon Balder, Länderpunkte. Und die bringt der Vorstoß ins Viertelfinale. Nun geriet selbst Marco Baldi, der Alba-Manager, in jener Nacht leicht taumelig, als er ausrief: „Man lebt nur für solche Momente!“ Doch längst wird er mit Freund Pesic wieder nüchtern zur grundsätzlichen Frage zurückgekehrt sein. Die lautet nach wie vor: Wo stehen wir? So weit oben, daß „wir jede Mannschaft in Europa schlagen können“, wie Stephan Baeck vermutet? Das will Svetislav Pesic nicht sagen, Was er sagt: „wenn wir weiter so in der Defensive spielen, hat es jede Mannschaft schwer.“ Auch Filodoro Bologna, der Viertelfinalkontrahent, Sieger von Korac- Gruppe A. Ülker Istanbul wäre womöglich der leichtere Gegner gewesen, doch Pesic wollte den italienischen Spitzenclub. Erst hat man DJA Dijon geschlagen, dann Verona und Madrid hinter sich gelassen, und nun? „Wir werden“, sagt Pesic, „einen Schritt nach dem anderen machen.“ Und dann sehen, was geht.

Zwei Frauen haben Teoman Alibegovic als Dank und zum Geburtstag je eine Rose überreicht. Und der hat gestrahlt und die beiden dankend umarmt. Nur gut, daß Pesic das nicht gesehen hat. Womöglich hätten sogar den Gestrengen Tränen der Rührung übermannt. Es war aber auch eine zu schöne Nacht.