Verwaschen und zaghaft

■ Jacques Tatis "Schützenfest" nun als Farbfilm! Tusch & Hurra - Eine Entdeckung im Kinojubiläum / Der Regisseur selbst hat diese Kopie nie zu Gesicht bekommen / Kodak sponserte die Rekonstruktion

Daß aparte Schwarzweißfilme nachkoloriert werden, ist so gewöhnlich wie das Verschimmeln Ihres Sonnenblumenkernbrotes, wenn Sie es über drei Wochen im Kasten zu liegen hatten. Mit Schaudern erinnert man sich des Effekts, den die Sache auf „Metropolis“ hatte. Aber daß ein Film, den alle Welt und sogar der Erfinder selbst nur als Schwarzweißfilm kennt, in Wahrheit als Farbfilm konzipiert war, ist höchst selten. Über 47 Jahre nach seinem Entstehen wird nun Jacques Tatis „Schützenfest“ („Jour de fêtes“) in einer Farbversion auf den Jubiläumsmarkt geworfen.

Die Wiederauferstehung dieses Opus verdankt sich der Hartnäckigkeit von Tatis Tochter Sophie Tatischeff, von der sein Kameramann François Ede in einem bei den Cahiers du Cinéma erschienenen Buch berichtet. Dort erfährt man, daß der Film mit zwei Kameras gedreht wurde, in der einen lief Schwarzweißfilm, in der anderen Farbfilm, den Tati selbst nie zu sehen bekam, weil nie eine Kopie gezogen wurde. Nur diesem Umstand verdankt es Tati, daß sein erster abendfüllernder Spielfilm überhaupt zustande kam. Er war, wie Le Monde meldet, als Versuchsballon für ein noch zu entwickelndes Farbpatent gedacht, das den Franzosen die amerikanische Konkurrenz von Technicolor vom Leibe halten sollte. Tati, der bis dahin lediglich in fünf Kurzfilmen Erfahrung gesammelt hatte, erprobte ein imprägniertes Filmmaterial, auf dessen Unebenheiten sich das Farbspektrum trennt. Diese Trennung bleibt zwar unsichtbar – der Film ist noch immer ein Schwarzweißfilm – aber in einem Spezialprojektor treten Rot-, Blau- und Grüntöne hervor, die zusammen wieder das komplette Spektrum ergeben.

Zur selben Zeit hatte Kodak mit völlig anderen Mitteln das Technicolor entwickelt, das nicht nur effektiver war, sondern auch mit dem Druck des Marshall-Plans unter die Leute gebracht wurde. Das paßt nicht übel zu einem Motiv des Films: François, der Postbote, versucht, sich amerikanische Methoden der Raum-Zeit-Überwindung anzueignen. Ironischerweise gehört zu den Sponsoren der vorsichtigen Rekonstruktion der Farbkopie unterstützten ausgerechnet auch eben jene Firma Kodak.

Tati selbst hatte dem Fernsehen noch 1975 erzählt, er habe, weil das kleine Dorf Sainte-Sévère, in dem er drehte, selbst „fast völlig farblos“ war, unzählige Türen grau gestrichen und den Bauern auf dem Feld schwarze Westen verpaßt. Dankenswerterweise sind die Farben, glaubt man Le Monde, nicht so schreiend wie die des frühen Technicolor, sondern eher verwaschen und zaghaft, gewissermaßen Ton in Ton mit dem Landstrich. Mariam Niroumand