„Polonisierung des Holocaust“?

Scharfe Kritik an den Plänen für die Gedenkveranstaltung zum 50. Jahrestag der Befreifung des Konzentrationslagers Auschwitz / Keine Rede von Präsident Herzog  ■ Aus Auschwitz Klaus Bachmann

Daß es bei den Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau Ende Januar Streit geben wird, damit hatte man in Polen gerechnet. Daß dann aber so viele Konflikte auftreten sollten, überraschte doch viele Beobachter. So ist immer noch unklar, ob Edgar Bronfman, Vorsitzender des Jüdischen Weltkongresses, an der offiziellen Veranstaltung teilnehmen wird. Diese werden vom „Ehrenkomitee der Feierlichkeiten“ und der Kanzlei von Polens Präsident Lech Walesa organisiert. Statt dessen will der Kongreß eine eigene Gedenkfeier abhalten.

Auch Baron Goldstein, der Vorsitzende des Internationalen Auschwitz-Komitees, das eine Art Patronat über das Museum in Oswiecim (Auschwitz) ausübt, hält Lech Walesa vor, die geplante Rede des Präsidenten stelle eine „Polonisierung des Holocaust“ dar. Die polnische Seite vertritt jedoch die Ansicht, das Lager sei ursprünglich für polnische Bürger geplant worden und die ersten Opfer seien Polen gewesen. Bei manchen der mit den Feierlichkeiten Befaßten ist inzwischen der Eindruck entstanden, die polnische Präsidentschaftskanzlei fasse den Jahrestag mehr als Propagandaaktion für Polen und Walesa denn als Gedenkveranstaltung auf.

Auch die Vernichtung von Zigeunern aus ganz Europa wird im Rahmen der Feierlichkeiten keine wesentliche Rolle spielen. Reden von Vertretern der Roma und Sinti sind nicht geplant. Einladungen zum Jahrestag wurden erst Anfang Januar an die „Gesellschaft der polnischen Roma“ versandt.

Keine gemeinsame Erklärung der Bischöfe

Und auch die zunächst geplante gemeinsame Erklärung polnischer und deutscher Bischöfe wird es nicht geben. Wie Stanislaw Gadecki, der innerhalb des polnischen Episkopats für den „Dialog mit dem Judaismus“ zuständige Bischof, mitteilte, werde es statt dessen zwei „nationale“ Stellungnahmen geben. Dahinter verbirgt sich nach Aussage des polnischen Bischofs kein Konflikt um den Inhalt der Erklärung. Die polnische Seite befürchtet vielmehr, allein die Tatsache, daß die Erklärung von beiden Seiten stamme, werde zu falschen Schlüssen führen.

In Israel, den USA und zum Teil auch in Westeuropa ist nämlich die Ansicht verbreitet, Polen treffe eine Mitschuld an der Vernichtung der Juden. In der nordamerikanischen und israelischen Öffentlichkeit ist häufig von „polnischen Todeslagern“ oder von der wissenschaftlich zumindest unbewiesenen Behauptung die Rede, Hitler habe die Vernichtungslager in Polen errichten lassen, weil er auf die Mithilfe und den Antisemitismus der Polen gerechnet habe. Wie die Krakauer Tageszeitung Czas meldete, habe sich Bischof Gadecki bereits vor über einem Jahr an die deutschen Bischöfe gewandt mit der Bitte, sie möchten gegen Berichte in der US-Presse intervenieren, in denen von „polnischen KZs“ die Rede war. Ein gemeinsames Dokument zum Thema Auschwitz könne im Ausland den Eindruck hervorrufen, deutsche und polnische Schuld werde von diesen gleich gewichtet.

Hinzu kommt, daß Bundespräsident Roman Herzog, der in Auschwitz ebenfalls dabei sein wird, dort keine Rede halten und damit auch keine Gelegenheit haben wird, einen solchen Eindruck zu verhindern. Herzog wurde von Walesa nicht als Vertreter des Landes der Täter, sondern als Vertreter der deutschen Häftlinge in Auschwitz eingeladen.

Nobelpreisträger appellieren an Toleranz

Nach den bisherigen Planungen werden an den Feierlichkeiten 26 Staatschefs und 7 Friedensnobelpreisträger teilnehmen. Angemeldet haben sich außerdem die gekrönten Häupter von Belgien, Norwegen und den Niederlanden. Sie alle werden am 26. Januar an einer Sitzung des Senats der Jagiellonischen Universität Krakau teilnehmen, bei der Lech Walesa, der Rektor der Universität, ein Vertreter der Nobelpreisträger und ein Vertreter der Auschwitz-Häftlinge eine Rede halten werden. Dort werden die Nobelpreisträger einen Appell zu Toleranz und Frieden verkünden.

Messen verschiedener Bekenntnisse sollen die Gedenktage begleiten. Am 27. Januar werden die Nobelpreisträger und Staatsoberhäupter vor dem Lagertor mit der Aufschrift „Arbeit macht frei“ Kränze niederlegen und auf dem Gelände von Auschwitz-Birkenau Möglichkeit zu einem kurzen Gebet haben. Auch die anderen Staatsoberhäupter, die ebenfalls die aus ihrem Land kommenden Opfer des Vernichtungslagers vertreten, werden keine Reden halten. Geplant sind bisher nur Reden polnischer und jüdischer Vertreter in Krakau und Auschwitz.

Außer Vertretern Polens, Deutschlands und Israels werden in Auschwitz unter anderem die Staatschefs von Weißrußland, Kroatien, Jugoslawien, Österreich, Slowenien und Tschechien erwartet. Der sowjetische General Wassilij Petrenko, der als Befreier des KZs gilt, sollte ursprünglich in Birkenau eine kurze Ansprache halten. Da inzwischen allerdings bezweifelt wird, ob Petrenko tatsächlich bei der Befreiung zugegen war, hat das polnische Präsidialamt die russische Seite zunächst um Klärung gebeten. An den Feierlichkeiten werden auch 275 Menschen teilnehmen, die im Lager geboren wurden.