Heilpraktiker: 80 % fielen durch

■ Multiple-Coice-Fragen machen AnwärterInnen schwer zu schaffen

Unter Bremens HeilpraktikerInnen in spe grassiert verschärfte Prüfungsangst: Bei der letzten Zulassungs-Überprüfung im September fielen 14 von 17 AnwärterInnen durch die schriftliche Prüfung. Seitdem kursieren böse Gerüchte unter den AspirantInnen auf den Heilberuf. Auch wird der zuständige Abteilungsleiter im Gesundheitsamt, Dr. Thomas Hilbert, für die Katastrophe verantwortlich gemacht. Denn zeitgleich mit seinem Amtsantritt enthält Bremens HeilpraktikerInnen-Zulassung zum ersten Mal ein schriftliches Multiple-Choice Verfahren.

„Quatsch“. MitarbeiterInnen des Gesundheitsamtes und der Sozialbehörde kommentieren den bösen Verdacht unmißverständlich. Richtig sei nur die hohe Durchfallquote bei der letzten Überprüfung. Und unerklärlich sei sie außerdem. „Weil wir mit einer schriftlichen Überprüfung in Bremen keine Erfahrung hatten, haben wir einen Fragenkatalog gewählt, der identisch schon in einem anderen Bundesland verwendet wurde“, erklärt Jürgen Nuschke, Rechtsreferent im Gesundheitsressort. „Schon deshalb haben wir nicht damit gerechnet, daß das Ergebnis in Bremen so schlecht ausfällt“. Daß die Überprüfung, die jeder Heilpraktiker vor der staatlich geprüften Zulassung passieren muß, nun auch schriftlich stattfinde, entspreche dagegen lediglich den Bundesrichtlinien. „Das ist in anderen Bundesländern wie Hessen, Berlin, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz schon lange üblich.“ In Wirklichkeit habe eine „Demokratisierung“ stattgefunden: „Wer die schriftliche und die folgende mündliche Überprüfung nicht besteht, kann neuerdings ein gesondertes Gremium anrufen.“

Trotzdem wird Anke Zillmann*, gelernte Masseurin und Anwärterin für die nächste anberaumte Überprüfung im März, den Verdacht nicht los, daß sich SchulmedizinerInnen und sogar Heilpraktikerverbände gegen die steigende Nachfrage im eigenen Gewerbe verschworen hätten – und damit steht sie nicht alleine. Auch gegen den Vorsitzenden des Bremer Heilpraktikerverbandes, Jürgen Dierks, richtet sich der Verdacht, den eigenen Berufsstand abzuschotten. Dierks, zugleich Mitglied des Überprüfungsausschusses und Heilpraktiker mit über 25-jähriger Berufserfahrung, verwahrt sich gegen solche Vorwürfe: „Wer Heilpraktiker werden will und die vorgelegten Fragen nicht beantworten kann, tut mir leid.“ Die Fragen nämlich stammen aus einem bundeseinheitlichen Fragenpool. „Und mit der Tätigkeit als HeilpraktikerIn übernimmt man schließlich eine große Verantwortung.“ Anatomie, Pathologie und verschiedene Therapieformen von Reiki über Meditation bis zur Psychotherapie gehören zum Kanon. Mit einer zunehmenden Zahl von Heilpraktiker-AspirantInnen hat Dierks kein Problem. Aber wohl damit, daß manche mit falschen Vorstellungen antreten: „Die glauben, man könne gut verdienen. In Wirklichkeit lebt nur ein Drittel unserer Leute auch vom Heilpraktiker-Einkommen.

Die Schulleitungen von zwei Heilpraktiker-Schulen in Mahndorf und der Neustadt bestehen auf ihrer Beobachtung, daß die Überprüfung verschärft worden sei. „Unser Berufsstand sollte ursprünglich die traditionelle Heilmedizin stützen. Aber mit Prüfungsfragen, die sich zunehmend an den Inhalten des Zweiten Staatsexamen für Mediziner orientieren, wird diese Idee unterlaufen“, heißt es da. Schließlich wolle das Heilpraktikergesetz von 1939 lediglich sicherstellen, daß HeilpraktikerInnen „keine Gefahr für die Volksgesundheit“ darstellen. Jetzt will man das Gespräch mit der Gesundheitssenatorin suchen. Eva Rhode

* Name geändert