Peseta stürzt EWS an den Rand

■ Das lasche Währungsgummiband des EWS ist immer noch zu stramm / Ursache ist neben der politischen Krise in Spanien auch das Liquiditätsproblem Mexikos

Brüssel (dpa/rtr/taz) – Eigentlich wollten die EU-Finanzminister am Montag in Ruhe über das Programm der französischen Ratspräsidentschaft plaudern. Doch daraus wird wohl nichts. Denn die spanische Peseta ist in dieser Woche so tief gestürzt, daß sie schon fast den Rand des Wechselkursverbunds des Europäischen Währungssystems (EWS) erreicht hat. Auch die italienische Lira und der portugiesische Escudo sackten extrem ab, ebenso ist der französische Franc ist ins Trudeln geraten.

Dabei hatten die Finanzminister und Notenbankchefs der Gemeinschaft nach dem Währungssturm vom August 1993 die Bandbreite, innerhalb der die mittlerweile noch beteiligten neun Währungen schwanken dürfen, von 2,25 beziehungsweise 6 Prozent auf 15 hochgesetzt. Dieses ausgeleierte Gummiband wurde als ausreichendes Sicherheitsnetz angesehen, um weitere Krisen auszuschließen. Viele sprachen schon damals von einem Ende des EWS, das die Vorstufe für eine einheitliche Europawährung sein sollte.

Nach den Regeln des EWS sind die Notenbanken verpflichtet, bei Erreichen eines oberen oder unteren Interventionspunktes durch Stützungsmaßnahmen die im Wechselkursmechanismus verankerten Währungen in der vereinbarten Spannbreite zu halten. Schon in den letzten Tagen hat die Bank von Spanien vermutlich drei bis vier Milliarden Mark ihrer auf insgesamt etwa 68 Milliarden Mark veranschlagten Devisenreserven für Stützungskäufe der Peseta aufgewandt. Fällt die spanische Währung trotzdem noch weiter um etwa sechs Pfennig auf 1,088 Mark für 100 Peseten, muß auch die Bundesbank die schwache Währung massenweise aufkaufen, um sie innerhalb der EWS-Spanne zu halten. Hilft das der Peseta nicht, können die Spanier ihre Zinsen noch weiter erhöhen, wie sie es schon diese Woche getan haben.

Das Land könnte nach Ansicht von Währungsexperten bei Andauern seiner politischen Krise schon bald vor die Wahl gestellt werden, abzuwerten oder sogar aus dem Wechselkursmechanismus auszuscheiden. Letztere Möglichkeit wurde aber vom spanischen Wirtschaftsminister Pedro Solbes bisher energisch ausgeschlossen. Er versicherte, daß die Krise der Peseta rein politisch sei. Tatsächlich haben die zahlreichen Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung Gonzales in letzter Zeit zu massiver Kapitalflucht beigetragen.

Trotz vordergründiger Ähnlichkeiten zu 1992/93 hat die Situation diesmal nach Einschätzung von Experten ganz andere Ursachen als damals. Während vor zwei Jahren die Verschleppung notwendiger Wechselkursanpassungen die Turbulenzen auslöste, ist die jetzige EWS-Krise Teil der zunehmenden Anfälligkeit des Weltwährungssystems, die ihren Ursprung in der mexikanischen Finanzkrise hat. Die schweren Störungen der mexikanischen Liquidität haben auch die Währungen der USA und Kanadas in Mitleidenschaft gezogen. Das Kapital flüchtet sich in die D-Mark, den Yen und den Schweizer Franken. Jeder massive Aufkauf von D-Mark aber erzeugt automatisch Spannungen im EWS.

Das Europäische Währungssystem besteht seit dem 13. März 1979. Ziel war es, in Europa eine Zone stabiler Währungen zu verwirklichen. Es ist eine Weiterentwicklung der Währungsschlange aus dem Jahre 1972 und besteht aus zwei Grundelementen, der Europäischen Währungseinheit (Ecu) und dem Wechselkursmechanismus. Der Ecu ist eine Korbwährung und setzt sich aus den Währungen der einzelnen Mitgliedstaaten zusammen, die nach der Wirtschaftskraft des jeweiligen Landes gewichtet werden. Beim Wechselkursmechanismus dient der Ecu unter anderem als Bezugsgröße für die Festsetzung der Leitkurse. Die Einbindung aller beteiligten EG-Währungen in das EWS gilt als Voraussetzung für das Zusammenwirken der EG-Länder in der geplanten Währungsunion. aje