Theorie-Spielwiese

■ Die bundesweit erste lokale Umwelt-Agenda in Köpenick droht zu scheitern, bevor sie angefangen hat, richtig zu arbeiten

Die Köpenicker „Koordinierungsstelle Agenda“, die sich am vergangenen Donnerstag der Öffentlichkeit präsentierte, ist bereits auf dem Weg der Spaltung. Besonders beim Bezirksamt stößt die Stelle, die sich „für die Umsetzung von Aufgaben aus der lokalen Agenda 21 für Köpenick und andere Bezirke“ zuständig erklärte, auf keine große Gegenliebe. Dort ist man der Ansicht, in der Agenda des Umweltgipfels von Rio 1992 sei klar formuliert, daß die Federführung bei der Ausarbeitung lokaler Agenden bei den Kommunen liegen sollte. Umweltrat Ernst Welters bezeichnete die Koordinierungsstelle denn auch als „von niemandem legitimiert“.

Dabei hatte alles so gut angefangen. Im Herbst 1994 setzte eine Handvoll Umwelt- und Entwicklungsengagierter durch, daß die Bezirksverordnetenversammlung ihr Plazet für eine lokale „Agenda 21“ gab. Der Berliner Bezirk Köpenick ist damit die erste deutsche Kommune, die versucht, diese auf dem Rio-Umweltgipfel von den Staatsoberhäuptern der Erde beschlossene Handlungsanleitung zum globalen Überleben auf der Gemeindeebene durchzubuchstabieren. Im September 1994 lobte das sogar der damalige Umweltminister Töpfer auf einer internationalen Bürgermeister-Konferenz als „Köpenicker Modell“.

Der Senat hatte Köpenicks Alleingang anfangs nicht besonders freudig begrüßt. Ein Bezirk habe gar nicht die Kompetenz, so etwas allein durchzuführen, hieß es dort. In den Kreisen der Köpenicker Initiatoren munkelt man allerdings, die Skepsis beruhe eher darauf, daß Umweltbezirksrat Ernst Welters, ein ausdrücklicher Befürworter des Vorhabens, der PDS angehört.

Magda Schönhoff und Bernd Menning, die beim Umweltamt auf ABM-Basis an der Agenda basteln, halten die Koordinierungsstelle nur für „eine private Initiative, mit der Geld verdient werden soll“. Tatsächlich wird sie von einer kleinen Firma, der „Ingenieurgesellschaft für Sanierungstechnologien mbH Köpenick“ (ISK) getragen, die dafür auch bereits 19 ABM-Stellen beim Arbeitsamt beantragt hat. Die Vorsitzende des Köpenicker BVV-Umweltausschusses, Marina Müller, ehemals SPD und jetzt Gast beim Bündnis 90, ist dort bereits als Projektleiterin aufgeführt.

Während die Fraktion aus dem Umweltamt die lokale Agenda vor allem als Forderungskatalog sieht, der sich vor allem an die eigenen Bezirksbehörden richtet, will Agenda-Mitinitiator Klaus Wazlawik erst mal Strukturen schaffen, mit denen Projekte umgesetzt werden können. Er habe es satt, immer wieder „ins Leere“ zu diskutieren, so Wazlawik, der Mitarbeiter im Bundesumweltministerium (BMU) ist. Für mehrere Arbeitsstellen von „nachhaltiger Entwicklung“ bis „Nord-Süd-Arbeit“ sind Finanzierungen beim BMU und bei kirchlichen Stellen teilweise bereits unter Dach und Fach.

Bei dem Hickhack ist vor allem die Köpenicker Öffentlichkeit außen vor geblieben. „Alle reden über das Köpenicker Modell, wir, Töpfer, Hassemer – nur die Köpenicker nicht“, kritisiert Ernst Welters vom Umweltbezirksrat. Er warnt davor, die Diskussion zur „Spielwiese für Theoretiker“ verkommen zu lassen. „Die Organisationsdebatte hat den idealistischen Ansatz verdrängt“, so ein Mitarbeiter der Senatsumweltverwaltung.

Egoistische Interessen drohen die Köpenicker Initiative kaputtzumachen, bevor sie richtig funktioniert. Ohne dieses Projekt bliebe dann auch eine Berliner Agenda 21 Utopie. „Wie sieht das denn aus, wenn Berlin als Gastgeberstadt für die Klimanachfolgekonferenz im März nichts dergleichen vorzuweisen hat“, meint Magda Schönhoff. Thomas Ruttig