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: Unausgegorenes gärt "Talk im Turm: Schwamm drüber?"

„Talk im Turm: Schwamm drüber?“ So., 22.15 Uhr, Sat.1

Buhu, weint das Radiovolk. Zwei skrupellose Unterhaltungsjournalisten mußten gehen, weil das „Stigma Gauck-positiv“ (Erich Böhme) auf ihnen lastet: Lutz Bertram, Jürgen Kuttner, die ORB-Maulhelden der zynischen Art. Talk im Turm wollte den IMs auf Ego-Trip nochmals eine Bühne bieten, doch sie lehnten dankend ab: Hier war für sie schlecht Regie zu führen. Dabei hätten die zwei Erich Böhme gar nicht fürchten müssen. Der hat nämlich seinen Biß verloren, nur noch seine Schlußsätze brillierten: „Ich wollte den Landfrieden ausrufen, aber das geht nicht, wenn soviel Unausgegorenes noch gärt.“

Was gärt, ist die Stimmung, Schluß mit der Stasi-Debatte zu machen, weil der deutschen Seele am lieben Landfrieden so liegt. Ein wahrer „Rechts-Radikalismus“ habe sich breitgemacht, verkündete Prof. Uwe Wesel aus Berlin als neuer Rechtsbeistand der DDR-Nomenklatura und plädierte für „Ruhe im Land“. „Nachsicht und Großzügigkeit“ sollten endlich walten. Die „unerbittliche Härte“ von Stasi-Opfern wie Vera Lengsfeld (früher Wollenberger) und Arnold Vaatz könne er nicht mehr verstehen. Die beiden wehrten sich nämlich wacker gegen den Zeitgeist. „Wir dürfen nicht die belohnen, die am längsten gelogen haben“, sprach Lengsfeld gegen das Verdrängen an; „demütigend für die Opfer“ (Vaatz) wäre eine Amnestie.

Aber wer mag davon noch hören? Mit Wesel haben die 55 Prozent der Ostdeutschen, die laut Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für einen Schlußstrich unter die Stasi-Debatte plädieren, endlich einen Wessi lieb. Aber welche Erkenntnisse hat „Talk im Turm“ noch gebracht?

1. IM Kerstin Kaiser-Nicht aus Gysis bunter PDS-Bundestagstruppe ist „nicht stolz“ auf ihre Spitzeleien, legt aber Wert auf die Feststellung, daß die DDR „einen Geheimdienst hatte wie andere Staaten auch“.

2. Was SPD-Mann Harald Ringstorff möchte, verstehe, wer will; vermutlich ist seine Eierei Taktik, und

3. wird Joachim Gauck unglaublich böse, wenn Erich Böhme zu Stasi-Akten „Gauck- Akten“ sagt.

Böhme hätte gar nicht dabeisitzen müssen, die Runde trug sich von selbst. Die Sendung brachte nichts Neues hervor, aber sie kam, auf hohem Niveau, immerhin einem Schlußstrich zuvor. Und das tut gut. Holger Kulick